Freie Meinungsäußerung zwischen den Fronten

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Der Hashtag ‚#My Palestinian Sitty‘, ein von der demokratischen US-Kongressabgeordneten Rashida Tlaib geprägter Satz, ist in den sozialen Medien ein Trend-Thema: Meine palästinensische Großmutter.

Viele palästinensische Nutzer*innen sowohl in Palästina als auch in der Diaspora laden Bilder und Kommentare zu ihren Großmüttern auf Twitter, Instagram und Facebook hoch, so daß man sich fragt, was denn das Besondere an den palästinensischen unter den Großmüttern der Welt sei?

Der Unterschied ist, dass es zum ersten Mal möglich ist, die palästinensischen Großmütter in der Öffentlichkeit als Menschen anzuerkennen. Oder, wie Ilhan Omar twitterte: „#MyPalestinianSitty ist ein Trend-Thema und ich bin überwältigt von Emotionen, und erkenne, daß wir dabei sind, eines der am stärksten entmenschlichten Völker der Welt endlich zu humanisieren.“

Aber dies geht nicht nur twitternde US-Politiker an – auf vielerlei Arten sehen sich Bürger in vielen Ländern mit dem gleichen Problem konfrontiert, das Rashida Tlaib letztendlich dazu veranlasst hat, ihre Großmutter in Palästina nicht zu besuchen: es wäre ihr nur unter der Bedingung erlaubt worden, daß sie eingewilligt hätte, den Mund zu halten und nicht über irgendetwas zu sprechen, das mit Kritik an Israel zu tun gehabt hätte, oder sogar die pro-palästinensische Bewegung unterstützt hätte, die zum boykottieren, desinvestieren und sanktionieren eines Staates aufruft, der einen großen Teil der innerhalb seiner Grenzen lebenden Menschen nicht gleich behandelt.

Und es ist nicht nur die US-Regierung, die beschlossen hat, die Bewegung als antisemitisch zu bezeichnen, obwohl es Fakt ist, daß viele Juden – Bürger Israels oder anderer Nationen – sie in der Tat unterstützen und für gerechtere Bedingungen für alle Menschen in der Region eintreten.

Auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland, um nur einige zu nennen, haben dies getan; und Bürger, auch jüdische Staatsbürger, dieser Länder wurden streng sanktioniert, wenn sie offen ihre Unterstützung dieser Bewegung aussprachen oder sogar, wenn sie sich nicht bereit erklärten, sich öffentlich zu distanzieren und sie anzuprangern.

Abgesehen von der Frage, wie man selbst zu diesem Thema steht, geht es auch um die Frage, was diese Vorstöße demokratisch gewählter Regierungen, die faktisch darauf abzielen, einen Teil ihrer Bürger, der Wählerschaft zum Schweigen zu bringen, mit den liberalen Demokratien machen, für deren Etablierung als Regierungsprinzip die Länder oft lange gekämpft haben.

Was passiert mit einer Demokratie, wenn ihr Regierungskörper einen Teil der Wählerschaft zum Schweigen bringt, indem er strenge Sanktionen gegen Mißachtung der Einschränkungen der Meinungsfreiheit verhängt? Zeigt dies ein Misstrauen der Regierenden gegenüber der Fähigkeit der Bürger*innen, eine brennende Frage auf zivile Weise zu diskutieren?
Zeigt dies einen Unwillen, allen und allen ethnischen Gruppen die Menschenrechte einzuräumen und sie zu achten?
Zeigt dies vielleicht auch ein Nicht-Bewußtsein einer kolonialen Vergangenheit eines Landes, die nicht thematisiert und verarbeitet wurde?
Und was macht diese Tabuisierung eines Problems mit anderen ethnischen Gruppen innerhalb einer Demokratie, nämlich denjenigen, deren Menschlichkeit und Menschenrechte in Frage gestellt werden?
Wird dies den Extremismus eher anfachen und stärken, anstatt ihn zu unterdrücken und zu ersticken?

Dies sind die Fragen, die im nächsten Diwan al-Falsafa diskutiert warden; auf lebhafte, aber zivile Weise, unter Einhaltung des strengen Zeitlimits von 3 Minuten pro GesprächsteilnehmerIn, neutral kontrolliert von einer Sanduhr.

Daniel Bax

Der Journalist und Autor Daniel Bax wird die Einführung in diesen Diwan vornehmen.

Die Veranstaltung wird gemäß der Chatham Haus Regel stattfinden. https://de.wikipedia.org/wiki/Chatham_House_Rule Hauptsprache der Veranstaltung ist deutsch, wie immer sind Diskussionsbeiträge auch in arabischer und
englischer Sprache möglich und werden von uns nach bestem Vermögen verdolmetscht. Für interne Dokumentationszwecke wird die Veranstaltung aufgezeichnet.

Freitag, 20. September um 19 Uhr in  der Hellen Panke, Kopenhagener Straße 9, Berlin Prenzlauer Berg, in der Nähe der S-Bahn Schönhauser Allee.

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