Editorial – Heft 21 Frühjahr 2018

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

er lebte sein Leben lang in der Heimat, sein Wirken war in der gesamten  arabischen Welt… gestorben ist er abgeschieden in der Fremde in Berlin.

Sadiq Jalal al-Azm gilt als einer der Wegweiser der Arabischen Moderne und ein herausragender Gelehrter des kritischen Denkens in der arabischen Welt.
Große Bekanntheit erlangte al-Azm durch seine 1968 und 1969 erschienenen Werke Selbstkritik nach der Niederlage und Kritik des religiösen Denkens, mit denen er zentrale Dogmen des politischen und des religiös-kulturellen Diskurses innerhalb der arabischen Gesellschaft radikal angriff. Dieses Buch und sein bereits 1965 erschienener Essay „Satans Tragödie“, mit dem er das traditionelle islamische Verständnis der Verantwortung Gottes für das Böse in Frage stellte, führten zu einer durch den örtlichen Mufti ausgesprochenen Fatwa, die ihn der Apostasie für schuldig befand und in religiösen wie akademischen Kreisen für Aufruhr sorgte. Selbstkritik nach der Niederlage, in der er den Zustand der arabischen Welt nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 analysierte, gilt als eine der kontroversesten Schriften des arabischen politischen Denkens. Al-Azm forderte eine radikale Modernisierung auf der Grundlage der Säkularisierung der arabischen Gesellschaft. Viele seiner Schriften wurden in mehreren arabischen Ländern verboten. Er war ein freier Geist, und als weltweit geachteter Wissenschaftler verschaffte er sich Aufmerksamkeit. Als der Arabische Frühling ausgebrochen war, bejahte al-Azm die Entwicklung, da er hoffte, dass eine neue Generation hervorgebracht würde, die den Kreis der Vererbung von Macht zu unterbrechen vermag. Er unterstützte die syrische Revolution im Gegensatz zu vielen Linken, die im Islamismus und ihren Milizen eine zu große Gefahr sahen. Er nannte sie die „demaskierende“ Revolution.

Er war ein viel geschätzter Freund, ein weiser Mann, groß in seiner Bescheidenheit.  Er war für seine Streitgespräche bekannt und mischte sich ein, womit er sich auch viele Feinde machte, was ihn nicht davon abhielt, das zu sagen, was er glaubte. Unbeirrt war er sich bis ans Ende seines Lebens treu geblieben. Er bewies den Mut und die Beständigkeit, am Säkularismus als einzig sinnvolles, gesellschaftliches System festzuhalten, in Zeiten, als daran stark gezweifelt wurde. Er ging frei und souverän mit Tabuthemen um, seine Bücher prägten Generationen.

Diese Sonderausgabe ist dem syrischen Philosophen, Universitätsprofessor und Menschenrechtsaktivisten Sadiq Jalal al-Azm (1934 – 2016) gewidmet.

Am 10. Februar 2017 im Festsaal des Roten Rathaus Berlin organisierte der Ibn Rushd Fund und die Sadik Al-Azm Foundation for Culture and Education – mit freundlicher Unterstützung durch den Prince Claus Fund und die Freundinnen und Freunde der Heinrich Böll Stiftung – gemeinsam eine Gedenkveranstaltung für Prof. Sadiq Jalal al-Azm, der am 11. Dezember 2016 nach kurzer schwerer Krankheit von uns gegangen war.
Zahlreiche Mitwirkende – weit angereiste befreundete Wissenschaftler, Studenten und Weggefährten –  trugen zu der Veranstaltung bei und feierten mit einer besonderen, persönlichen und herzlichen Note das Freie Denken und den großen syrischen Philosophen als seinen herausragenden Vertreter. Seit der Gründung des Ibn Rushd Fund begleitete und unterstützte Prof. Sadiq Jalal  al-Azm den Ibn Rushd Fund mit gutem Rat, hielt Lesungen und nahm 2012 stellvertretend für die syrische Aktivistin Razan Zaitouneh den Ibn Rushd Prize for Freedom of Thought entgegen. Mit dieser Gedenkveranstaltung wurde an den großen Denker und den wunderbaren Menschen, dessen Großherzigkeit seinen intellektuellen Verdiensten um nichts nachstand, erinnert. Und wir bringen nun einige der Texte heraus.
Mitwirkende waren u.a. Eman Chaker al-Azm (Syrien), Sumaya al-Azm (Syrien), Prof. Werner Ende (Deutschland),  Dr. Ivan al-Azm (Syrien), Dr. Carsten Wieland (Deutschland) and Prof. Khaled Hroub (Palästina), Nabil Bushnaq, Fatina Foda (Palästina). Musikalisch war der Abend begleitet von Nasir Chamma (Oud, Irak), Catherine Le Corre (Gesang, Frankreich), Özgür Ersoy (Türkei), Ziad Hakim (Flügel, Syrien), Bachar Zarkan (vocals & Oud, Syria) und dem Frauenchor Hanin (Syrien).

Sie können sich auch einzelne Videoausschnitte anschauen.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen

Abier Bushnaq
Cora Josting

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