Begrüßungsrede des Ibn Rushd Funds anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises an AMAN, Coalition for Accountability and Integrity Palestine am 01.12.2017
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste aus nah und fern, liebe Freundinnen und Freunde, Förderinnen und Förderer des Ibn Rushd Funds, liebe Mitglieder!
Heute hat sich hier ein bunt gemischtes Publikum versammelt mit Expertinnen und Experten in eigener Sache, Menschen arabischer und nicht-arabischer Herkunft, mit und ohne Migrationshintergurnd, multi- oder monokulturell; uns allen gemein ist ein Interesse an Freiem Denken. Es ist gut, dass wir uns in so großer Zahl zu diesem Thema an diesem Ort zusammengefunden haben.
Die Werte des Freien Denkens, des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der demokratischen Partizipation sind die Werte, die der Ibn Rushd Fund seit seiner Gründung 1998 unterstützt und fördert. So veranstalten wir die Ibn Rushd Lectures, den philosophischen Salon Diwan al-Falsafa und zeichnen jährlich eine Persönlichkeit, eine Institution oder Organisation mit dem Ibn Rushd Preis für Freies Denken aus. Der Ibn Rushd Preis für Freies Denken in der arabischen Welt ist ein Bürgerpreis, und zwar ein internationaler, denn er wird von Menschen in Deutschland mit Herkunft aus verschiedensten arabischen Ländern, sowie von Menschen deutscher Herkunft mit Bezug zur arabischen Welt, und von Mitgliedern in zahlreichen Ländern weltweit vergeben. Der Preis ist in erster Linie eine Anerkennung für die Leistung der Person oder Institution im Sinne des Freien Denkens in der arabischen Welt; so auch dieses Jahr, in dem der Preis ausgeschrieben gewesen war für ‚eine Person, Organisation oder Institution, die sich um die Bekämpfung der Korruption verdient gemacht hat‘, der Coalition for Accountability and Integrity AMAN zuerkannt wurde.
Warum haben wir in diesem Jahr das Thema Korruption vorgeschlagen, und warum haben unsere Mitglieder es unter den für das Jahr 2017 vorgeschlagenen Themen mit großem Vorsprung gewählt? Keine Gesellschaft ist frei von Korruption, aber die Korruption im öffentlichen und im privaten Sektor in der arabischen Welt ist auf ein nie gekanntes Ausmaß angewachsen.
Korruption behindert den Entwicklungsprozess einer Gesellschaft und zerstört ihre ethischen Werte; dies spiegelt sich sowohl im individuellen als auch im kollektiven Verhalten wider. Der Reichtum der einen ist die Armut der anderen – fehlende Ethik, Vetternwirtschaft und Gier auf der einen Seite führen zu Vertrauensverlust, Chancenlosigkeit und Aussichtslosigkeit auf der anderen. Es herrscht Stillstand statt Entwicklung.
Der wichtigste Grund für die Verbreitung der Korruption ist die Abwesenheit der Demokratie. Für eine gute Regierungsführung eines Staates ist die Trennung der Staatsgewalten Exekutive, Legislative und Judikative unabdinglich; in den meisten arabischen Ländern jedoch kontrolliert de facto die Exekutive alle drei Gewalten und besitzt somit die absolute Macht – die zur absoluten Korruption führt. Die Bekämpfung der Korruption ist also kein Ziel an sich; es geht darum, die Korruption zu bekämpfen, um eine gute Regierungsführung zu erreichen, und somit die Demokratie durchzusetzen.
Darum ist das Thema Korruption für den Ibn Rushd Fund, dem es um Freies Denken und Demokratie geht, so wichtig.
Die Wahl war für die Mitglieder der diesjährigen Jury, die wie immer ehrenamtlich arbeitete – Atta el-Battahani aus dem Sudan, Ahlem Belhadj aus Tunesien, Hassan Nafaa aus Ägypten, Natacha Sarkis aus dem Libanon – angesichts der Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas in diesem Jahr nicht einfach.
Sie mussten einen Preisträger wählen aus einer Vielzahl von Kandidaten, von denen jeder einen Preis verdient hätte. Die Nominierungen kamen aus verschiedenen Ländern der arabischen Welt, an deren Spitze Ägypten, Syrien, Palästina, Tunesien, und der Libanon standen. Es war auffallend, dass Organisationen durch die Jury höher bewertet wurden als Einzelpersonen.
Einzelkämpfer riskieren in ihrem Kampf gegen die Korruption oft sehr viel, bis hin zum Einbüßen der persönlichen Freiheit. Ihr Einsatz ist von unschätzbarem Wert. Aber die diesjährige Jury wählte eine Organisation, eine Gruppe von Menschen, die die Korruption bekämpft; es geht hier um das Zusammenstehen der Ehrlichen, die die Korruption gemeinsam bekämpfen. Die Existenz zahlreicher Organisationen, die darum bemüht sind, die Korruption nachhaltig zu unterbinden, ist ein Zeichen für die wachsende Bedeutung einer institutionalisierten, systematischen Gemeinschaftsarbeit, und Ausdruck einer Solidarität und einer Bewusstwerdung breiter Schichten der Bevölkerung für das Thema.
Einer Organisation,
die sich an der Stelle ihres Wirkens darum bemüht, die Korruption nachhaltig zu unterbinden, und nicht nur die Übertragbarkeit der Methoden auf andere Orte in der arabischen Welt erarbeitet, sondern auch sicherstellt und ermöglicht;
einer Organisation,
die als eine der ältesten Organisationen auf diesem Gebiet in der arabischen Welt gilt;
einer Organisation,
die trotz besonders schwieriger Umstände bedingt durch die Besatzung eindeutige Ergebnisse erzielen und sich behaupten konnte;
einer Organisation,
die sich in der palästinensischen Gesellschaft über zwei Jahrzehnte einen Ruf von Integrität aufbaute:
dieser Organisation gebührt die Ehre, den Ibn Rushd Preis für Freies Denken 2017 zu erhalten! Unser aller Anerkennung und Applaus gebührt AMAM, der Koalition für Rechenschaftspflicht und Integrität!
Seit 19 Jahren gibt es den Ibn Rushd Fund jetzt, und seit 18 Jahren vergeben wir den Ibn Rushd Preis für Freies Denken in der arabischen Welt, finanziert ausschließlich durch die Beiträge und Spenden der Mitglieder. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Förderinnen und Förderer, liebe Mitglieder, so haben wir unsere Rede begonnen; auch wir als Ibn Rushd Fund brauchen Unterstützung für unsere Arbeit. Wie gerne würden wir die, die wir heute Abend noch als Damen und Herren begrüßt haben, schon im nächsten Jahr als Förderinnen und Förderer begrüßen; denn nur mit Ihrer Unterstützung kann sich der Ibn Rushd Fund weiterhin dezidiert und nachhaltig für das Freie Denken in der arabischen Welt einsetzen.