Individualismus und Islam

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Es scheint, dass das Konzept des „Individuums“ im moralischen und politischen Sinne eine kulturelle und intellektuelle Leistung des Westens darstellt, für die es schwer fällt, eine Entsprechung in den östlichen Kulturen generell und in der islamischen Kultur insbesondere zu finden. Angefangen von der Philosophie der Sophisten und Epikureer, über den Humanismus und Spiritualismus der Renaissance bis hin zur politischen und moralischen Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts hat das westliche Denken die Realität des Individuums als eine grundlegende Einheit in den metaphysischen, physischen, ethischen und politischen Bereich eingeschrieben. Die östliche Kultur hat, sowohl in ihrer konfuzianischen als auch in ihrer islamischen Variante, das Prinzip der ‚Gemeinschaft‘ oder „Aller“ zu Lasten des „Individuums“ festgeschrieben. In dieser Sicht hat die Unabhängigkeit des Individuums keinen Wert außer dem, ein Teil des Ganzen, das die Gemeinschaft ist, zu sein. Auch im Westen haben anti-aufklärerische Kräfte versucht, das vorstehende Prinzip zu übernehmen und durchzusetzen, aber die Idee des Vorrangs des Individuums obsiegte über den Vorrang der Gruppe. Und diesem Konzept liegt die Ideologie der universellen Menschenrechte und die Forderung nach politischer Demokratie zugrunde. Ist es sinnvoll, die Menschenrechte für die östlichen Gesellschaften einzufordern? Besteht Hoffnung auf eine kulturelle und religiöse Reform, die im Herzen der heutigen „Gemeinschafts“-orientierten östlichen, und insbesondere orientalischen, Kulturen, Raum schafft für das Konzept des „Individuums“? Und was sind die historischen Bedingungen, die zusammenkommen müssen, um dies zu erreichen?

Videoaufnahme des einführenden Vortrags von Dr. Adel Mtimet (Arabisch)

Diskursion über das Thema (nur auf arabisch verfügbar)

Dr. Mohamed Adel Mtimet

Dr. Mohamed Adel Mtimat ist Professor für Philosophie und Geistesgeschichte an der Universität von Gabès, Tunesien. Er erhielt 2007 seinen Doktorgrad an der Université Paris VIII; in seiner Doktorarbeit befaßte er sich mit den Grundlagen der modernen politischen Philosophie (Hobbes und Spinoza): „Les Fondements physiques de la philosophie politique moderne“. Sein Spezialgebiet ist die Geschichte des poitischen Denkens. Er hat zahlreiche Publikationen in Arabisch, Französisch und Deutsch, so unter anderem „Dialogische Intelligenz. Aus dem Käfig des Gedachten in den Kosmos des gemeinsamen Denkens“, eine arabische Übersetzung von „L’Erotisme“ des französischen Autors Georges Bataille (Dar Altanweer), „The Concept of State in the History of Political Philosophy“ und „Totalitarismus“ (auf Arabisch) , „Staatsbürgerschaft“, „Tyrannie and Despotismus“ und „Sekularismus und Toleranz“ und „Umma und die paradoxale Klasse (auf Französisch). Derzeit übersetzt er den 8. Band von „Le Systeme du monde , Histoire des doctrines cosmologiques de Platon a Copernic“ des französischen Historikers Pierre Duhem ins Arabische. Er ist zudem Mitglied der tunesich-deutschen Forschungsgruppe zu Gender an der Universität Lüneburg.

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