Der Ibn Rushd Fund trauert um Professor Mohammed Arkoun

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Der Ibn Rushd Fund erfuhr zu seiner großen Bestürzung vom Tod des in Algerien geborenen Philosophen Mohammed Arkoun. Der große arabische Intellektuelle starb am Dienstag, den 14. September 2010 im Laufe der Nacht im Alter von 82 Jahren in Paris, wo er die Geschichte des Islamischen Denkens an der Sorbonne unterrichtet hatte. In den letzten Jahren hatte er zudem Angewandte Islamwissenschaft an verschiedenen europäischen und amerikanischen Universitäten unterrichtet.

Arkoun insistierte auf einem genuin islamischen Zugang zu Aufklärung und Vernunft und suchte nach einem Weg zur friedlichen Co-Existenz der Kulturen und Religionen. Sein Tod bedeutet einen unschätzbaren Verlust für aufgeklärtes Denken und fortschrittliche Kräfte in der Arabischen Welt, und auch für die Westliche Welt, die diesen Wanderer zwischen den Kulturen und Religionen heute mehr denn je braucht.

Mohammed Arkoun stand für einen Dialog zwischen den Kulturen und war ausdrücklich gegen die These des Zusammenstoßes der Zivilisationen, der doch so of als unausweichlich dargestellt wird. Er verwies auf Ähnlichkeiten zwischen dem Islam und dem Westen, entgegen der gegenwärtigen Tendenz, die Unterschiede aufzubauschen und das Andere zu dämonisieren, und demontierte diese Pole als imaginäres Konstrukt.

In seinem vergleichenden Ansatz untersuchte Arkoun Religionen und Kulturen, insbesondere die gemeinsame Vergangenheit der Kulturen und die gegenwärtige Ablehnung und Verachtung, die zumeist das Resultat einer “institutionalisierten Ignoranz” sind, die besonders in den letzten 50 Jahren Verbreitung in einem ungekannten Ausmaß fand.

Er kritisierte das im Westen vorherrschende Bild, nach dem die islamischen Kulturen als im Mittelalter verharrend gelten, und wies darauf hin, dass Bagdad die modernste Stadt der Welt war zu einer Zeit, als in Europa die Inquisition wütete; arabische Wissenschaftler waren diejenigen, die das mentale Erbe der Antike bewahrten, indem sie griechische Philosophen und Wissenschaftler übersetzten. Dieses Erbe ist im westlichen Bewusstsein und kollektiver Erinnerung abwesend, und wird selbst von westlichen Wissenschaften vernachlässigt.

Mohammed Arkouns Hauptaugenmerk lag jedoch auf den islamischen Kulturen. Er kritisiert, dass sie nicht in der Lage oder nicht willens sind, Grundsätze des Islams mit der wissenschaftlichen und intellektuellen Moderne zu vereinbaren. Er ruft dazu auf, das Konzept „Islam“ von Grund auf neu zu überdenken, um den vielen willkürlichen ideologischen und sogar phantasmagorischen Manipulationen sowohl durch Muslime als auch durch Nicht-Muslime ein Ende zu machen. Arkouns provozierende These ist, dass die islamische Gesellschaft noch nie eine eigene Renaissance hatte und diese dringend braucht, um den „geschlossenen offiziellen Korpus“, zu dem der Islam speziell in den letzten 40 Jahren geworden ist, zu revolutionieren.

Der Ibn Rushd Fund drückt der Familie von Mohammed Arkoun, Träger des Ibn Rushd Preises 2003, sein tiefes Mitgefühl aus, und auch seinen Freunden, Studenten, Anhängern und Unterstützern. Wir wünschen ihnen und uns die Kraft, den Verlust dieses großen Denkers zu ertragen, und seine Gedankenwelt in uns zu bewahren, sie lebendig zu erhalten und weiterzutragen.

Mohammed Arkoun war Herausgeber der Zeitschrift Arabica: Journal of Arabic and Islamic Studies, 1953 an der Sorbonne gegründet und von Brill publiziert. Er verfaßte ein umfangreiches wissenschaftliches Werk, unter anderem L’humanisme Arabe au 4e-10e Siècle (1970, 1982); La Pensée Arabe (6e edition 2003); Lectures du Coran (1982); Critique de la Raison islamique (1984); L’islam. Approche Critique (1989); The Unthought in Contemporary Islamic Thought (2002); De Manhattan à Bagdad: Au-delà du Bien et du Mal (2003); L’Islam, l’Europe et l’Occident; Ou est la pensée islamique contemporaine; Lectures du Coran; Penser l’Islam auhjourd’hui.

Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought

Hikmat Bushnaq-Josting – Erster Vorsitzender
Dr. John Nasta – Zweiter Vorsitzender

Berlin, 17/9/2010

Pressemitteilung zur 2003 Ibn Rushd Preisverleihung and Prof. Mohammed Arkoun

Lebenslauf und Publikationsliste von Prof. Mohammed Arkoun (Stand 2003)

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