Begrüßung des Funds

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Begrüßungsrede Des Ibn Rushd Funds

Heidewig ElHadidi

Heidewig ElHadidi, Mitglied im Vorstand

Berlin 03.12.2009

Guten Abend,

im Namen des Ibn Rushd Fund for Freedom of Thought heiße auch ich Sie herzlich willkommen anlässlich der Verleihung des Ibn Rushd Preises 2009. Wir wollen gemeinsam den diesjährigen Preisträger, den ägyptischen Ökonomen Samir Amin, ehren.

Herr Amin, herzlich willkommen.

Professor Amin ist zu diesem Anlass eigens aus Dakar, aus dem Senegal angereist, wo er seit 1980 das Dritte Welt Forum und seit 1996 auch das World Forum for Alternatives leitet.

Wir begrüßen auch die Vertreter der Botschaften und der Arabischen Liga sowie die internationalen Medien, die Mitglieder unseres Vereins und alle Gäste, die zum Teil von weit her angereist sind.

Ebenfalls begrüße ich unseren Laudator, den Politikwissenschaftler und Soziologen Professor Dieter Senghaas vom Institut für Interkulturelle und Internationale Studien (InIIS) der Universität Bremen.

Unser Dank gilt den Verantwortlichen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die uns heute diese Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren,

die Welt – und damit auch die arabischen Länder – durchleben in diesen Tagen politisch wie wirtschaftlich und gesellschaftlich eine extreme Krise, die unsere Lebensgrundlagen wieder einmal existentiell bedroht. Die Krise hat verschiedene Erscheinungsformen und zeigt u. a., dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik, wie sie von den führenden Industrienationen betrieben wird, nicht imstande ist, stabile wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, die den Bürgern die Grundlage für ein ehrbares Leben sichern und Voraussetzungen schaffen, starken Einflüssen von außen zu widerstehen.

Diese aktuelle Situation war der Anlass, weshalb wir uns in diesem Jahr entschieden haben, unseren Preis auszuschreiben für einen Wirtschaftsexperten aus dem arabischen Raum, der sich in seinem Werk mit den Problemen der global praktizierten Wirtschaftsformen auseinandersetzt.

Dies ist der 11. Preis, der vom Ibn Rushd Fund verliehen wird, knapp 12 Jahre nach seiner Gründung im Jahre 1998 – allein ermöglicht durch die ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder und Spenden engagierter, vorwiegend arabischer Bürger.

Der Preis wird in drei Sprachen ausgeschrieben. Dabei kann jeder, unabhängig von seiner Nationalität, einen Kandidaten für den Preis vorschlagen. Die einzige Voraussetzung ist, dass Werk und Wirken des vorgeschlagenen Kandidaten dem Ausschreibungsthema entspricht.

Der Fund ist stets bedacht, eine unabhängige Jury aus Fachleuten neu einzuberufen, die sich intensiv mit dem jeweiligen Thema befasst haben.

Der Lebenslauf der diesjährigen Jury ist im Internet mehrsprachig zu finden und liegt als Kopie im Saal aus.

Die in diesem Jahr berufene, fünfköpfige Jury aus Jordanien, Syrien, Ägypten, dem Libanon und dem Jemen – benannte aus einer Liste von neun Kandidaten aus 6 verschiedenen arabischen Ländern Samir Amin zu unserem diesjährigen Preisträger, für seine Bemühungen um ein globales Wirtschaftssystem ohne Hegemonien, geprägt durch eine wahrhafte gleichberechtigte Beteiligung aller Länder.

Meine Damen und Herren,

heute ehren wir einen kritischen Denker, engagierten Kämpfer und anerkannten Weltwirtschafts-Experten, der schon sehr früh einen politisch couragierten Weg eingeschlagen hat. Kaum 25 Jahre alt, schrieb Samir Amin in Frankreich seine berühmte Dissertation zum Thema „L’Accumulation capitaliste à l‘échelle mondiale“ (Die kapitalistische Akkumulation auf Weltebene). Stets blieb er ein kompromissloser Kritiker des globalisierten kapitalistischen Wirtschaftssystems. Er hat aber den Aufbau des Sozialismus in der ehemaligen Sowjetunion ebenso offen kritisiert. In zahllosen empirischen Studien analysiert er wirtschaftliche Missstände in afrikanischen und arabischen Gesellschaften. Diese peripheren Gesellschaften ruft er auf, ihre einheimische wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und sich gegenüber den Interessen der Großmächte zu behaupten.

Seine Kapitalismuskritik ist heute wieder von brennender Aktualität. Er fordert die weltweite Solidarisierung der Völker in einem Wirtschaftssystem mit mehreren Zentren, ein Miteinander, in dem Frieden, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit erreicht werden können.

Samir Amin hat sich in seinen Werken nicht nur mit Wirtschaftsthemen befasst. Ihn interessieren auch allgemeine, geisteswissenschaftliche und gesellschaftliche Themen. Zum Beispiel ist er ein Befürworter des Igtihad in der Religion, also der eigenen Urteilsbildung über theologische Fragen. Diese Forderung vertritt er mutig und mit einer Offenheit, die wir nur noch in der Blütezeit des Islam so vorfinden. Er fordert, die in der Religion angelegte Toleranz für eine Entwicklung in Richtung Moderne zu nutzen. und zeigt den engen Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik.

Den Kern seiner Aussage sehen wir in der Feststellung: „Eine soziale Revolution ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht von einer kulturellen Revolution begleitet wird.“ Amin warnt vor dem Niedergang der Demokratie und sieht in der Demokratie die absolut notwendige Voraussetzung für eine gerechte wirtschaftliche Entwicklung aller Gesellschaften.

In einem seiner Bücher steht ein Satz, der als Motto für Amins Werk gelten kann:

„Ich lebe mein Leben, um die Zukunft zu bewachen“.

Herr Amin, wir sind Ihnen dankbar für diese Wächterrolle!

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