Editorial – Heft 07 Herbst 2005

English

Liebe Leser!

der Herbst ist eine Jahreszeit der Einkehr und Besinnung, und so bringen wir in unserem neuen  virtuellen Heft eine Reihe von Beiträgen, die nachdenklich blicken – zurück und nach vorn – und eine Menge Fragen aufwerfen. 
Die Suche nach Wahrheit ist eine wesentliche Kernfrage in der modernen Philosophie, sei es die bei Habermas, H. Putnam, Appel oder bei den modernen arabischen Philosophen. Der marokkanische Philosophie-Professor Mohamed Mesbahi geht dem Begriff der Wahrheit und seine politischen Dimensionen aus philosophischer Sicht nach. Zunächst werden die grundsätzlichen Merkmale der Wahrheit beschrieben (Plausibilität, Neutralität, Einmaligkeit von Wahrheit – es gibt nur eine Wahrheit – und Wahrheit als Instrument für Freiheit). Mesbahi versucht als nächstes, am praktischen Beispiel von Marokko, den politischen Missbrauch von Wahrheit aufzuzeigen. 

Warum tut sich die arabische Welt so schwer mit Modernismus? Was sind die Hindernisse einer gesellschaftlichen Entwicklung und wie lassen sich die Hindernisse überwinden? Der in Tunesien lebende syrische Schriftsteller und Wissenschaftler Abdallah Turkmani untersucht die historischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Gründe, die den Anschluss der arabischen Welt an die Moderne verhindern. Der Autor, der die Grundpfeiler der modernen Zivilisation in Vernunft, Historismus, Freiheit und Sekularismus sieht, ist der Meinung, dass die Demokratie erste Priorität haben sollte, um voranzukommen. Heute sei es wichtiger denn je, mit dem Fortschritt mitzuhalten, da im Zeitalter der Globalisierung eine Isolierung nicht möglich ist.

Schließlich fragt sich der moderne syrische Philosoph Tayyib Tisini: Muss man – im Hinblick auf den zunehmenden internationalen Druck auf den Islam – bei der Suche nach einer Lösung von dem realen Islam ausgehen, oder von dem Islam, wie er sich historisch in den Schriften darstellt? Der Islam ist sowohl von der Ideologie als auch von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Der apologetisch angelegte Beitrag legt ein differenziertes Bild des Islam dar, indem er der Frage des Pluralismus und des Individualismus im Islam nachgeht. 

Vom „Centre for Torture Victims“ in Berlin berichtet  der in Deutschland lebende sudanesische Arzt und Menschenrechtler Hamid Fadlalla.
Ein Denkmal für die Opfer der Atombombe Hiroshima legt das Hiroshima Peace Memorial Museum in Japan. Der ägyptische Literaturwissenschaftler Khayri Douma, der einige Jahre als Lektor in Osaka/Japan tätig war, hat Berichte von Überlebenden, die als „heard evidence“ Besuchern des Museums zur Verfügung stehen, ins Arabische übersetzt. 
Über die Begegnung der Kulturen und Verzahnungen unterschiedlichster Regionen in den Bereichen der Kunst und Literatur handelt der Beitrag des irakischen Schriftstellers Durgham al-Dabak. Ein Gedicht von Goethe, ein Gemälde von Eugene Delacroix und ein Epos des britischen Dichters Lord Byron dienen dem Autor als Beispiele für die Faszination des Westens für den Orient, um zu demonstrieren, dass die Begegnung der Kulturen auch zu etwas Positivem führen kann.

Wir beenden unsere Herbstnummer mit zwei Gedichten von Rainer Maria Rilke, „Herbst“ und „Herbsttag“, ins Arabische übertragen von Hakam Abdelhadi.
Ich wünsche allen viel Spaß beim Lesen!

20.10.2005

Abier Bushnaq
(Herausgeberin)

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial