Editorial – Heft 04 Frühjahr 2003

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Liebe Leser!

In Zeiten, in denen Wörter wie „Freiheit“ und „Demokratie“ im Zuge des Kampfes um Vorherrschaft über Ölreserven der Welt dermaßen mißbraucht werden – insbesondere von Staaten, die man bisher als Vorbild des demokratischen Gedankens hielt -, stehen diejenigen, die bisher an die demokratische Verfassung und an das Recht auf Freiheit jedes Bürgers und jeder Nation glaubten, ratlos da. 
Es ist nicht einfach für einen Verein wie unseren, von der Antriebskraft des Geistes und der Schaffung einer neuen Gesellschaft zu reden und an den Intellekt zu appellieren, wenn für eine solche Entwicklung kein Umfeld existiert, wenn täglich Menschen sterben müssen, ihr Hab und Gut verlieren und zu Kriegen gezwungen werden, die sie nicht wünschen. Der kleine Mann kann nicht anders, muß sich ums tägliche Brot und seine Grundbedürftnisse kümmern. Ihm ist es nicht zu verübeln, dass er nur Spott für die imperialistischen Großmächte und ihr demokratisches Missionarisierungsgehabe hat. Es entsteht eine Verwirrung um die Grundrechte und ethische Einstellung insgesamt. Worte werden von ihren Inhalten entleert.

So beginnt die vierte Ausgabe des Forums mit dem Statement der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy, das sie am 27.1.2003 auf dem World Social Forum in Porte Alegre in Brasilien abgehalten hat, wo sie mit Intellektuellen aus 156 Ländern und 25000 Teilnehmern unter dem Motto „Eine andere Welt ist Möglich“ gegen eine „capital corporate-led globalization“, gegen das „Free Trade Agreement der Amerikaner“ (FTAA) und gegen Bushs Irak-Feldzug protestierte.
Arundhati Roy, die 2002 mit dem amerikanischen Lannan Foundation Award for Cultural Freedom ausgezeichnet wurde, prangert den imperialistischen Prozeß der Globalisierung an. Sie  spricht von der „Demontage der Demokratie“ (dismantling democracy) und: „(…) it is a myth that the free market breaks down national barriers. The free market does not threaten national sovereignty, it undermines democracy.” Arundhari Roy wurde 1959 in Shillong, Indien, geboren. Sie studierte Architektur in Delhi, wo sie heute lebt, und arbeitete als Film Designer, Schauspielerin und Drehbuchautorin. Für ihren Roman The God of Small Things wurde sie 1997 mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Weitere Sachbücher: The Cost of Living und Power Politics, gebunden erschienen in The Algebra of Infinite Justice.
Nabil Yacoub von der Menschenrechtsorganisation OMRAS in Dresden hat für uns die arabische Übersetzung angefertigt – auf Deutsch erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 5.2.2003: „Warum Amerika nicht gewinnen kann. Das Imperium und wir. Hütet euch vor uns, denn wir sind viele und ihr seid wenige„.

Der Journalist Hakam Abdel Hadi berichtet über seine letzte Reise nach Palästina. Seine Begegnungen mit Studenten und Dozenten der Universität Birzeit, Vertretern der Politik und Nachrichtenanstalten (in Ramallah wohnte er bei den Korrespondenten des Nachrichtensenders al-Jazeera TV Satellite Channel, Walid al-Omari) und seine Schilderungen der Schwierigkeiten, mit denen die Palästinenser alltäglich konfrontiert sind, geben ein lebhaftes und trauriges Bild von dem wider, was sich seit Monaten in den besetzten Gebieten abspielt. 

In Abier Bushnaqs Arbeit „Evaluation arabischer Webseiten: Informationsangebote im Bereich Medien und Kultur“ werden arabische Web-Suchmaschinen nach ihrer Availability untersucht. Sieben Suchmaschinen (Ayna, Ajeeb, Arabvista=albahhar, arabia.com, Google, Yahoo, Alltheweb) werden einem Retrievaltest unterzogen, dem Known-Item-Test von Mechtild und Wolfgang G. Stock. Wie die Untersuchung zeigt, sind die komplexe Morphologie und Vielzahl von Präfixen für Webrecherchen auf Arabisch ohne die Möglichkeit einer Linkstrunkierung (Suche nach Worten, deren erster Teil unbekannt ist) ein Problem. Die Usability der arabischen Suchwerkzeuge ist stark davon abhängig, ob diese neben dem Wort auch nach dem Stamm und der Wurzel und deren Ableitungen suchen können oder nicht. Frau Bushnaqs Untersuchung ist während ihrer Arbeit im Info-Center und Recherchedienst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (2001-2002) und berufbegleitende Ausbildung zur wissenschaftlichen Dokumentarin am Institut für Information und Dokumentation in Potsdam entstanden.

Angefügt wird eine Publikationsliste – deutsche Übersetzungen aus arabischsprachiger Literatur, die die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika von 1984 bis heute gefördert hat.  Eine laufend aktualisierte Liste mit Gutachten zu Werken, die für eine Übersetzung ins Deutsche vorgeschlagen sind, ist in einer Online-Datenbank einsehbar, die von der Gesellschaft im Auftrage der UNESCO gepflegt wird (derzeit noch im Aufbau, siehe Literature & Translation). Die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V. wurde im Jahre 1980 von JournalistInnen, VerlegerInnen, ÜbersetzerInnen, ProfessorInnen, MitarbeiterInnen der Kirche, von Entwicklungshilfeorganisationen und der Frankfurter Buchmesse gegründet. Durch den „Dialog durch Literatur“ zwischen den Kulturen, die Beschäftigung mit dem »kulturell Fremden«, glaubt die Gesellschaft, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, Vorurteile oder Stereotypen aufzulösen, Misstrauen oder Ablehnung dem Unbekannten gegenüber abbauen zu können.

Mit Gefühlen der Wut, Ohnmacht, Trauer und Bestürzung angesichts der Invasion Iraks schließt die Redaktion das Forum mit dem kritischen Gedicht „Wann wird man den Tod der Araber bekannt geben?“ („Mata yu’linuna wafat al-Arab?“) von Nizar Qabbani

Eure
Abier Bushnaq
 

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