Zivilisationskritik in der arabischen Literatur des 19. Jahrhunderts: Ahmad Faris ash-Shidyaq

Abier Bushnaq

INHALT

1. Einleitung
2. Zum Autor 
3. Werke
3.1. Verschollene Schriften
3.2. Unveröffentlichte Schriften
3.3. Veröffentlichte Schriften
3.4. Übersetzungen
4. Stand der Forschung
5. ash-Shidyaq: Dichter und Journalist
6. as-Saq ala as-saq: 
6.1. rage der Gattung
6.2. Das Buch as-Saq a la as-Saq
Nachwort

Bibliographie

1. Einleitung

Als 1887 Ahmad Faris ash-Shidyaqs Leichnam in Beirut überführt wurde, stritten sich Christen und Muslime, wo er begraben sein sollte und welche der beiden Gruppen ihn segnen sollte. Man einigte sich auf al- Hazimiyya, jenem neutralen Ort am Berg Libanon, in der Mitte zwischen dem Christen- und Drusenviertel. Ein Halbmond markiert sein Mausoleum. Das Grab liegt auf demselben Friedhof, auf dem nicht weit von seinem Grab die christlichen Feudalherrscher-Familien, die über den Libanon von 1861-1914 unter der osmanischen Oberhoheit herrschten, beigesetzt sind.

Mit Recht sagt Aziz Azma, ist schon das Begräbnis von Ahmad Faris ash-Shidyaq das beste Zeichen dafür, wie problematisch die Einordnung dieses vielseitigen Mannes ist (an-Naqid 79(Januar 1995, S. 18ff). Zuerst Maronit, dann schließt er sich den Protestanten an, zuletzt rebelliert er gegen beide Religionen und tritt zum Islam über… und keiner weiß genau, ob er vor seinem Tode den Islam wieder ablegte und Maronit, Katholik oder anderes wurde. Ash-Shidyaq besaß mehrere Identitäten und gehöörte doch keiner Gruppe an. 

Wer ist dieser Mann, der gegen den Klerus und Feudalherrschern rebellierte? Der zugleich Linguist, Schriftsteller und Journalist, Übersetzer und Kritiker und Künstler in einer Person war? Wer ist dieser Mann, der die berühmten Streitgesprächen mit dem renomiertesten Sprachexperten seiner Zeit führte? Der sich mit Yusuf al-Asir (1815-1890), Ibrahim al-Ahdab (1829-1891), Nasif al-Yazigi (1800-71) und Ibrahim al-Yazigi (1847-1906), Butrus al-Bustani (1819-1883) und Adib Ishaq (1856-1886) anlegte, sie zuerst zum Freund und dann zum Feind machte? Der Mann, der für das Recht der Frau kämpfte in einer Zeit, als der Feminismus noch nicht einmal in Europa begonnen hatte. Wer ist der Mann, der über alles spottete, sich in Europa mit den Orientalisten seiner Zeit traf und mit dem frz. Dichter Alphonse Lamartine (1790-1869) korrespondierte, sich belas, Lobgedichte für die Herrscher Ahmad Bey, Abdul Magid und Queen Viktoria verfasste und stolz – äußerlich wie innerlich – seine arabische Identität behielt, der vom armen Kopisten und Privatlehrer zum berühmtesten Schriftsteller wurde und Herausgeber der bahnbrechenden ersten „unabhängigen“ arabischen Zeitschrift wurde? Manche bezeichnen ihn als den ersten arabischen Sozialisten. Für viele war er der al-Gahiz des 19. Jahrhunderts. In sh-Shidyaq begegnen sich der Orient und Okzident. Er ist ein Wanderer zwischen den Kulturen. Bei ihm sind noch keine Vorurteile oder Klischees da, keine Minderwertigkeitsgefühle. Er ist in einem ständigen Gespräch mit sich selbst, wiegt die Vor- und Nachteile beider Kulturen (die Östliche und Westliche) ab.
 

2. Zum Autor

Mit der Biographie ah-Shidyaqs haben sich schon zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt. Hier möchte ich nur das Wesentliche in Kurzform wiedergeben. 

Ahmad Faris ash-Shidyaq (1804-1887) wurde bei Ashkut in Libanon geboren. Damals stand Libanon unter der weltlichen Macht von al-Amir Bashir (1789-1840) und der religiöösen Macht des maronitischen Patriarchen Yusuf al-Hubaish (1823-1845). Ash-Shidyaq entstammt einer rebellischen Ramilie. 1805 mußte sh-Shidyaqs Großvater, ash-Shidyaq Butrus, mit der Familie von Ashqut nach al-Hadath flüchten, da er sich weigerte, den regierenden Shihab Familien Geld auszuleihen, und er somit ihre Rache fürchten musste. Er starb nach einen Selbstmordversuch im Gefängnis. Mit 16 verlor ah-Shidyaq seinen Vater, der in politische Ereignisse verwickelt war und unglücklicherweise auf der falschen Seite stand: Nach der Belagerung Akkos durch Napoleon und al-Bashirs Absetzung durch Ahmad Pascha al-Gazzar stellten die sh-Shidyaqs sich auf die Seite von al-Amir Hasan Ali und Sulaiman Ahmad, den Cousin von al-Bashir, gegen den Herrscher al-Amir Bashir Shihab. Ebenso tragisch starb sein Bruder As’ad, als dieser sich offen dem Protestantismus bekehrte und daraufhin vom maronitischen Klerus in Haft genommen und 1930 vom Folter umkam. Für ash-Shidyaq, der mittlerweile den Job eines Kopisten inne hatte, war dies ein einschneidendes Erlebnis. Heimlich schloß er sich ebenfalls den amerikanischen Presbyterianern an und verließ 1825 den Libanon nach Ägypten.

Von 1825-1834 hielt er sich zur weiteren Ausbildung in Ägypten auf, wo er mit wichtigen Azhar-Gelehrten und Intellektuellen seiner Zeit in Kontakt kam, wie z.B. Nasralla at-Tarabulsi (1770-1840) und Shihab ad-Din M.b. Ismail al-Maliki (1803-1857). Durch sie erwarb er eine gründliche Kenntnis der arabischen Sprache, der Prosodie und des kalam, der Logik und Theologie. Schließlich gebann er eine journalistische Karriere als Editor unter Tahtawi bei der al-Waqa’i’ al-misriyya. Anschließend wirkte er im Dienst der Mission 14 Jahre in Malta als Lehrer, Korrektor und Schriftsteller. 1848 berief ihn die „London Society for the Propagation of the Gospel“ nach England, mit dem Auftrag, zusammen mit Samuel Lee die Bibel ins Arabische zu übersetzen. Im Rahmen dieser Bibelübersetzung weilteash-Shidyaq von 1848-1857 an verschiedenen Orten in England und in Paris. Von Paris folgte er 1855 einer Einladung des Bai von Tunesien Ahmad Pascha, um die Zeitung ar-Ra’id at-Tunisi herauszugeben. In Tunis trat ash-Shidyaq zum Islam über. Einige Wissenschaftler interpretieren diesen Schritt als reine Kalkulation, um seine Interessen zu verwirklichen und bessere Aufstiegsmöglichkeiten im Dienste des osmanischen Sultans zu bekommen. Andere sehen dies als ash-Shidyaqs Bekennung einer kulturellen Identität, nachdem er weder in England noch Paris die Arbeitsstellen bekam, die er sich erhofft hat. 1860 berief ihn Sultan Abdul Magid nach Istanbul, zunächst als Korrektor der Staatsdruckerei. Ende 1860 gründete ash-Shidyaq die Wochenzeitschrift al-Gawa’ib, die durch den Erwerb unterschiedlicher Geldquellen versuchte, eine relative Staatsunabhängigkeit zu erreichen, und die nach Brockelmann zwar im Dienste der türkischen Regierung die Sache des Islams vertrat, aber auch die Kenntnis Europas zu vermitteln suchte und um 1875/85 als islamisches (sic!) Weltblatt gelten konnte.

Bis zu seinem Tode arbeitete er an seiner Zeitschrift.
Ahmad Faris ash-Shidyaq hinterließ eine Menge Schriften, von denen viele nicht erhalten geblieben sind. 
 

3. Werke

Im Folgenden führe ich die Werke ash-Shidyaqs an. Für die Beschreibung der Werke habe ich mich vorwiegend an den Beschreibungen von Gurgi Zaidan und Imad as-Sulh gehalten. Der kürzlich erschienene Artikel von Aziz al-Azma und Fu’ad Tarabulsi in an-Naqid bietet eine vollständige Liste der von ash-Shidyaq verfaßten Schriften, die als Ergänzung zu Imad as-Sulhs Bibliographie zu sehen ist: 
 

3.1. Verschollene Schriften

1. al-Ugrumiyya
Vielleicht eine Interpretation der Ugrumiyya von Muhammad b. Muhammad b. Ugrum as-Sinhagi (672-723/1273-1323)

2. Diwan sh-Shidyaq
Az-Zirikl sagt, daß diese Antologie 22000 Gedichtsverse umfaßte und daß sie vom Autor 1882 überarbeitet worden ist. Im dritten Teil von Kanz ar-Ragha’ib erschien ein Teil seiner Gedichte, nach az-Ziriklis Behauptung macht sie aber nicht einmal ein Viertel der Gedichtsverse seines Diwans aus.

3. Fusul wa rasa’ il shatta 
Wissenschaftliche Abhandlungen und Artikel, die in al-Makshuf und Magallat as-Salam erschienen waren.

4. La ta’wila fi l- ingil („Keine Interpretation in der Bibel möglich“)

5. Malhuzat a la ash-shi’ri l-arabi 
„Notizen über die arabische Dichtung“. Damit ist möglicherweise die muqaddima zu seinem Diwan gemeint.

6. al-Mir’atu aks at-tawrah
Dieses Manuskript hatte den Umfang von 700 Seiten. Alles was man darüber weiß ist, dass sh-Shidyaq wünschte, daß es erst nach seinem Tode veröffentlicht wurde.

7. Muntaha al-agab fi khasa’is lughat al-arab
An diesem mehrbändigem sehr umfangreichenWerk soll ash-Shidyaq mehrere Jahrzehnte gearbeitet haben. Es behandelt die arabische Linguistik, vor allem in der Phonetik und Lexikographie. Leider hat er es nie veröffentlicht. Das Originalmanuskript ist noch zu seinen Lebzeiten in einem Feuer verloren gegangen. 

8. an-Nafa’is fi insha’i Ahmad Faris

9. Nubsha sha’iqa fi r-addi a la Mutran Malta

10. at-Taqni’ fi ilmi l-badi’ 

11. ar-Raud an-nadir fiabyat wa-nawadir

12. Taragim mashahir al-asr

13. ad-Duraru l-lagi fi ghalti l-Mutran at-Tatangi

14. al-Masa’il al-mufkhamatu fi l-aqa’id al-mubhama
Dieses Buch wird in Mumahakat at-ta’wil genannt

15. I’tiradat Ingil Sharif
Dieser Titel wird in der Verkaufsliste eines Herrn Ahmad Tawfiq Pascha genannt, als seine private Bibliothek nach seinem Tode 1893 verkauft wurde. Es sei ein sehr schön geschriebenes Manuskript gewesen, 150 Seiten (1281 d.H.) in Beirut kopiert.

16. al-Maghna li-killi ma’na
 

3.2. Unveröffentlichte Schriften

1. Irtibat at-tamaddun bi-din al-islam
Eine apologetische Schrift, in der er die Stellungnahme des Islam vor dem Vorwurf der Rückständigkeit verteidigt.

2. Lammu ‚l-qurud fi dhamm al-yahud, 1248 d.H./1832-33
Ein langes Schmähgedicht, das einige Stellen aus dem alten Testament verspottet

3. Mumahakat at-ta’will fi munaqadat al-ingil
Von diesem Text gibt es zwei Handschriften, die eine 1851 datiert, die andere 1282/1865.

4. Nutq as-sitt bi-d-durrari wa-yaqut
Eine Maqame, die sich um Poesie und Sprache dreht.
 

3.3. Veröffentlichte Schriften

1. Salbu l-Masih 
Die Autorenschaft ist nicht sicher.

2. Khabariyyat As’ad ash-Shidyaq, 1833 (bei Aziz al- Azma 1823 sic!)
Ein Buch über das Martyrium seines Bruders As’ad.

3. al-Bakura ash-Shahiyya nahwa ‚l-lugha al-ingliziyya, Malta 1836; 2. Auflage, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1299 d.H./1881
Dies ist ein Schulbuch für den Englischunterricht

4. al-Lafif fi kulli ma’na zarif, Malta 1839;2. Auflage Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1299/1881. 
Dies ist eine Sammlung von Anekdoten, Sprüchen, Witzen und Wortspielen.

5. al-Muhawara al-unsiyya fi l-lughatain al-arabiyya wa-l-ingliziyya, Malta 1840; 2. Auflage Konstantinopel 1299/1881

6. al-Agwiba l-galiyya fi l-usul an-nahawiyya, Malta 1841
Eine Abkürzung der Forschungsarbeit von Mutran Girmanus Farahat.

7. Takhti’at al-Mutran at-Tatangi
Eine Kritik, die er an den Verein S.P.C.K. in Malta schickt.

8. Zarat Su’ad, 1843.

9. Eine Lobesqasida an Ahmad Pascha Bey von Tunesien in Imprimiére de Bineteay, Paris 1851. Übersetzt und kommentiert von Gustave Doreau (Dugha). Im selben Jahr erschien auch eine deutsche Übersetzung des Gedichts.

10. as-Sanad ar-Rawi fi as-sarf al-faransawi, Imprimérie Impériale, Paris 1854.
Dies ist ein Schulbuch für den Französischunterricht

11. As-Saq ala as-saq fi-ma huwa al-Fariyaq, Benjamin Dupart, Paris 1855; 2. Auflage hg Quzma al-Bustani, Maktabat al-arab, Kairo 1919; 3. Auflage al-Maktaba at-tigariyya, Kairo 1920; 4. Auflage hg und kommentiert von Nasib Wahiba al-Khazin, Dar al-hayat, Beirut 1966; 5. Auflage hg. und gekürzt von Imad as-Sulh , Dar ar-ra’id al-arabi, Beirut 1982.

Eine französische Übersetzung ist erschienen unter dem Titel Faris Chidyaq: La jambe sur la jambe. Roman Traduit de l’arabe par René R. Khawam. Phébus, Paris 1991.

Eine Mischung zwischen Reiseliteratur, Autobiographie und satirischen Roman. Im Vorwort erklärt er, daß er dieses Buch schreibe, um seine Reisen zu beschreiben, um den maronitischen Klerus in Form einer Satire zu entlarven und um Synonyme aneinanderzureihen und die Pracht der Sprache voll darzustellen. Es erzählt in humoristischen und einer sprachlich akrobatischen Manier die Geschichte Fariyaqs von seiner Geburt bis an den Punkt heran, an dem der Verfasser in seiner eigenen Biographie anlangt, also etwa bis 1855. 

12. al-Karras: al-Hamdu li-llahi, London 1857.
Eine Lithographie, in der ash-Shidyaq die Tunesier lobt und die Geschichte seiner Beförderung nach Tunis erzählt. 

13. al-Wasta fi ahwal Malta, Tunis 1866. 
Dieses Buch behandelt die Geographie Maltas, ihre Demographie, das Klima, ethno-soziologische Erkenntnisse, die Politik, Philologie und Kunst (insbes. Musik und Archeologie) Maltas. 

14. Kashf al-mukhabba an funun urubba 
Dieses Buch hat ash-Shidyaq zusammen mit al-Wasta fi ahwal Malta 1863 oder 1865 in einem Band in Tunesien veröffentlicht; eine 2. Auflage, überarbeitet und ergänzt, erschien in Konstatinopel 1283 d.H./1867 (bei Zaidan 1867). Die Zeit der Niederschrift wird auf dem Jahr 1862 vermutet.
Kashf al-mukhabba ist ein weniger persöönliches autobiographisches Reisebuch, die dieselbe Zeit wie in as-Saq a la as-saq behandelt. Die Parisreise ist kurzgefaßt, vermutlich deshalb, weil kurz vor ash-Shidyaq Rifa’a Rafi’ at-Tahtawi in seinem eigenen Reisebuch schon darüber ausgiebig berichtet hat. Um den didaktischen Gehalt zu betonen, faßt sich ash-Shidyaq allgemein und schildert weniger persönliche Ereignisse, als allgemeine Ereignisse, um Europa bekannt zu machen. Dies macht er umso ausführlicher. 

15. Sirru l-layali ifl-qalbi wa-l-abdal, Istanbul 1884
Dies ist ein gigantisches Buch über die Sprache, das ash-Shidyaq in Istanbul geschrieben hat. Es behandelt hauptsächlich die üblich und häufig benutzten Verbe und Substantive und untersucht ihre Bedeutungsveränderungen über die Geschichte. Dabei werden auch Synonyme erklärt. Außerdem ist es eine Kritik an Fairuzabadi. Es behandelt Ausdrücke, die von Fairuzabadi in seinem berühmten Qamus entgangen sind. 

16. Ghunyat at-talib wa munyat ar-ragib fi as-sarfi wa-n-nahwi wa-l-ma’ani, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1288 d.H./1871; 2. Auflage hg. Salim ash-Shidyaq, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1306 d.H./1888; 3. Auflage, Lahor 1898.
Dies ist eine arabische Grammatik für den Schulunterricht.

17. Kanz ar-Ragha’ib fi muntakhabat al-gawa’ib, hg. Salim ash-Shidyaq, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1288-1299 d.H./1871-1881
Ein 7-bändiges Werk, in dem die von sh-Shidyaq in al-Gawa’ib veröffentlichten Artikel über Themen wie Ethik, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Literatur und Linguistik, gesammelt sind.

18. Taswib siham at-taghlit ala qutri l-muhit, Konstantinopel 1871. 

19. Hawadi t-ta’lif fi takhti’at Ibrahim ibn Nasif, onstantinopel 1871.

20. Sauwtu r-radif fi shi’r ash-shaikh Nasif

21. Ahasinu l-maqal fi mahasin ash-shamal

22. Magmu’at walad al-Gawa’ib, Konstantinopel 1871.

23. Salwan ash-shagi fi r-radd ala Ibrahim al-Yazigi , Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1289 d.H./1872

24. Kanz al-lughat: farisi wa-turki wa-arabi, Beirut 1876
Ein dreisprachiges Wörterbuch Persisch-Türkisch-Arabisch.

25. al-Gamus ala al-qamus, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel 1299 d.H./1882 
In diesem Werk diskutiert ash-Shidyaq die Nachteile der arabischen Wörterbücher (wie al-Qamus, al-Ubab, as-Sihah, al-Muhkim, Lisan al-arab) vor allem aber Qamus al-muhit von Fairuzabadi und Tag al-arus von Murtada az-Zubaidi, der als ein richtiger Klassizist war und sich stark gegen Dialekt stemmte. Die Tatsache, daß Tahtawi positiv zu az-Zubaidi stand und sh-Shidyaq gegen ihn, könnte eine undirekte Kritik an at-Tahtawi vermuten lassen.

26. Muqaddima wa-hawamish tawdihiyya li-lisan al-arab li-Ibn Manzur, Matba’at Bulaq, Kairo (die Muqaddima ist 1883 geschrieben), in 20 Bde, 1883-1889.

27. Muqaddimat diwan Ahmad Faris Afandi, Matba’at al-gawa’ib, Konstantinopel o.J.

28. al-Maqama al-Bakhshishiyya aw as-Sultan Bakhshish, Imprimérie de P.Fontana, Algerien 1893
Erschien mit einer Übersetzung ins Französische von R. Amaud, ein Sonderdruck von Matba’at al-gawa’ib.

29. Falsafat at-tarbiya wa ‚l-adab, Kairo (Alexandrein?) o.J., hg. Ali Muhammad al-Khattab.
Ein Buch über die Theorie der Didaktik.

30. Mukhtarat min Faris ash-Shidyaq, Maktabat sadir, Beirut 1963, ein Sonderdruck von Kanz ar-ragha’ib.

31. Munazarat ash-Shidyaq wa Ibrahim al-Yazigi. Ein Sonderdruck von der Zeitung al-Ginan.
 

3.4. Übersetzungen

1. al-Kanz al-mukhtar fi kashf al-aradi wa-l-bihar, Malta 1836.

2. Tarikh al-kanisa a la waghi l-ikhtisar, Malta 1839

3. Kitab as-salawat al-amma ma’a mazamiri Dawud La vatité, Malta 1840
Von dieser Übersetzung von Gebetstexten gibt es mehrere Ausgaben, die in London nachgedruckt, zum Teil gekürzte, zum Teil überarbund erweiterte Ausgaben.

4. Sharh taba’i al-hayawan, Malta 1841
Eine freie Übersetzung aus dem Englischen des sachkundigen Naturbuches für den Unterricht Natural History for the use of schools von W.F. Maier, Bd.1, Malta 1841.

5. Kitab al-Mutran Gul difa’an an al-aqida,London 1848.

6. Kitabu s-salati l-amma wa-igra’ as-sirin wa-t-tuqus al-kanasiyya, London 1851.

7. Kitab Mazamir Dawud, London 1850.

8. al-Ahd al-gadid, Christian Knowledge Society, London 1851
Eine Übersetzung des Neuen Testaments in Zusammenarbeit mit Samuel Lee und andere.

9. Tagamat al-kitab al-muqaddas (aw targamat at-tawrah), The Society for promoting Christian Knowledge, London 1857
Die Übersetzung des Alten Testaments in Zusammenarbeit mit Samuel Lee und andere. 

10. Magallat al-ahkam al-adliyya, Konstantinopel 1897.
 

4. Stand der Forschung

Über ash-Shidyaq schrieben u.a. Bolus Mus’ad, Gurgi Zaidan, Marun Abbud, Ahmad Hasan az-Zayyat, Muhammad Yusuf Nagm, F. Tarrazi, Imad as-Sulh, Muhammad Ahmad Khalafalla, Muhammad Abdul Ghani Hasan, Alwan, Sulaiman Gubran, Muhammad Ali Shawabka, Shafiq Gabari, Issam Mahfouz, Muhammad al-Hadi al-Matwi, Aziz al-Azma und Fuwwaz Tarabulsi. Von den westlichen Wissenschaftlern haben sich vor allem A.J. Arbery, G.J. Roper, G. Huart, J. Haywood, T.J. Le Gessick, R. Wielandt und M. Peled mit ash-Shidyaq beschäftigt. 

Arabische Kritker interessieretn sich zunächst für die 4 Maqamen-Kapitel in as-Saq ala as-saq fi-ma huwa al-Fariyaq. So hat Muhammad Yusuf Nagm 1952 in seinem Standardwerk al-Qiss fi al-adab al-arabi al-hadith die Maqamen unter der Rubrik „Uqsusa“ besprochen. Mahmud Taimur zählt ash-Shidyaq ebenfalls in einem Vortrag, den er in einer Konferenz (vermutlich 1954) in der Amerikanischen Uni in Beirut gehalten hatte, zu den Maqamenautoren. Jedoch scheint mir der Maqamencharakter dieser Kapitel nicht mehr oder weniger charakteristisch für diese Gattung zu sein wie jedes seiner Kapitel in as-Saq ala as-Saq. Jedes beliebige andere Kapitel hätte mit der Überschrift „Maqama“ versehen werden, oder auch nicht. Mit Recht sieht R. Wielandt darin mehr eine Parodie der Maqamenform, als einer Nachahmung dergleichen. 

Dabei parododierte er streckenweise noch die literarische Form der Maqame, deren traditionelle sag -Form ihm Gelegenheit gab, seine Kenntnis lexikalischer Raritäten vorzuführen und sich zugleich groteske Verwendungen derselben über diejenigen lustig zu machen, die sie als Voraussetzung für einen gehobenen Stil betrachteten. 

Marun Abbud nahm es zu seiner Aufgabe, ash-Shidyaq zu einem libanesischen Nationalautor zu heben. Er verfaßte Artikel zu seinem 50. Todestag und zum Jubiläum seines 150. Geburtstages, und schrieb außerdem eine umfangreiche Biographie mit dem Titel Saqr Lubnan. In Gudud wa qudama beschreibt er seine Verzweiflung beim Besuch von ash-Shidyaqs Grab, welches er verfallen und ungeschützt vor dem schädigenden Pöbel vorfand, worauf er, wie er sagte, in Form von Artikeln an die libanesische Regierung appellierte, welche sich daraufhin verpflichtete, das Grab an einem anderen Ort umzulegen und sich um die Pflege des Grabes zu sorgen. 

In Paris erscheint anläßlich seines 50. Todestages ein Artikel in der frz. Ègyptien Gazette, in der es heißt:

Wenn die englischen Schriftsteller Skeat, Emerson (sic!), Wordworth und Bowles in einer Person vereint wären, dann kann man sich erst die Größe ash-Shidyaqs vorstellen. Wenn dieser Mann in Europa begraben wäre, befände sich sein Grab unter den auserwählten großen Männern und man hätte ihm ein Denkmal in mehreren Städten gesetzt. 

und 

Während Frankreich Hugo ehrte indem sie ihm Denkmäler setzte und sein Angedenk mit Lobeshymnen feierte, erinnerten sich die Völker des Nahen Osten erst in diesem Jahr, also 50 Jahren nach seinem Tod an ash-Shidyaq. 

Längere Studie bieten Imad as-Sulh und Muhammad Abdul Ghani Hasan. Trotz ihrer großen Bewunderung für ash-Shidyaq und ihrer detaillierten Untersuchungen, Kommt die kritische Analyse des Werkes as-Saq ala as-saq zu kurz. Beide machen ash-Shidyaq den Vorwurf, sich schamlos und ergiebig über obszööne und unmoralische Dinge ausgelassen zu haben. Diese vulgäre Possenreißerei „ziemt einen großen Mann wie ihn nicht. Das hätte er wissen müssen“. Dies führte sogar soweit, daß Imad as-Sulh sich das Recht nahm, in seiner Edition des as-Saq ala as-Saq die Stellen herauszulassen, die ihm anstoößend erschienen. Seine Ausgabe verlor durch die Kürzungen einen wesentlichen Teil an Umfang. Außerdem tendieren arabische Kritiker im allgemeinen, ash-Shidyaqs as-Saq ala as-Saq als Autobiographie zu sehen, nicht als Fiktion. Somit wurden vorwiegend autobiographische Züge untersucht und mit der wahren Biographie ash-Shidyaqs verglichen, als Literaturkritik betrieben. Imad as-Sulh, dem der Titel vermutlich ohnehin zu unmodern war, veränderte ihn skrupellos zu I’tirafat ash-Shidyaq fi kitabihi as-Saq ala as-Saq („Die Bekenntnisseash-Shidyaqs in seinem Buch as-Saq ala as-Saq„). Diese Veränderung hat zwei Konzequenzen: er ordnet das Buch von Anfang an einer schon speziellen und sehr eingegrenzten Form der Autobiographie zu, nämlich der Bekenntnis, einer besonderen Art der Biographie

die weniger Wert auf Erinnerungen der äußeren Welt als auf innerseelische Entwicklungen und psychologische Selbstgründungen legt. Ihr eignet oft der Charakter der „Enthüllung“ im religiöösen Sinn der Lebensbeichte, im unreligiöösen bis zur schonungslosesten Selbstentblöößung. 

Wenn as-Saq ala as-Saq als „schonungslosesten Selbstentblöößung“ interpretiert wird, dann verstehe ich nicht, weshalb Imad as-Sulh gerade diese „schonungslosen“ obszöönen Stellen in seiner Ausgabe herausschneidet? Er schneidet seiner eigenen Interpretation den Weg. Eine weitere Konzequenz der Titeländerung hat die Kürzung des Originaltitels um die Endung fi-ma huwa al-Fariyaq. Imad as-Sulh erklärt also die Konfessionen als die des ash-Shidyaqs, ohne dabei Rücksicht zu nehmen, daß der Autor ganz gewollt eine fiktive Person, nämlich die des al-Fariyaq (Name des Protagonisten) erfand.

Unabhängig davon stimmen die in as-Saq ala as-Saq beschriebenen Ereignisse nicht glatt mit ash-Shidyaqs Vita überein, wie Wielandt schon erkannt hat 

wichtige Ereignisse aus ash-Shidyaqs Vita – etwa seine Scheidung und Wiederverheiratung – werden ganz übergangen, andere in künstlerischer Absicht umgestellt

Der Stil, in dem er es schrieb, ist von einer außerordentlichen Brillianz, der allein schon, verglichen mitash-Shidyaqs Kashf al-mukhabba, das er 10 Jahre nachher geschrieben hatte, einen dazu veranlassen müßte, das Werk als reine Fiktion anzusehen.

Antunius Shibli widmet sein Buch ash-Shidyaq –a l-Yazigi den linguistischen Debatten, die ash-Shidyaq mit al-Yazigi in al-Gawa’ib geführt hat. 

Kürzlich scheint das Interesse an ash-Shidyaq auf arabischer Seite wieder aufgeweckt zu sein. Das Vorwort ash-Shidyaqs zu seinem Diwan erschien 1993 in Dar al-Bashir von einem Jordanier Dr. Muhammad Ali Shawabka. Ebenfalls 1993 erschien in der Reihe „Fi tariq at-tanwir“ (Auf dem Weg der Aufklärung) eine Untersuchung von Sulaiman Gubran über as-Saq ala as-Saq. 1994 erschien die erstmals wiederauferlegte Herausgabe seines Schulbuches über die Grammatik der arabischen Sprache Ghunyat at-talib wa munyat ar-raghib. Der umfangreichste und für die Interpretation von ash-Shidyaq sehr hilfreiche Artikel von Aziz al-Azma und Du’ad Tarabulsi ist 1995 in der zeitschrift an-Naqid erschienen. 
 

5. ash-Shidyaq: Dichter und Journalist

In dieser Arbeit habe ich nicht die Absicht, die markante Persöönlichkeit ash-Shidyaqs darzustellen, zumal sich die meisten Kritiker ohnehin damit ausführlich beschäftigt haben. Hier möchte ich mich nur mit Biographischem beschäftigen, soweit es aufschlußreich sein könnten, die Stellen in as-Saq ala as-Saq zu beleuchten, die unmittelbar mit der Konfrontation mit Europa zu tun haben. 

Als Dichter, so behaupten viele Kritiker, sei ash-Shidyaq unbegabt gewesen. ash-Shidyaq konnte es nicht unterlassen, Lobeshymnen auf den mächtigen Herrschern seiner Zeit zu schreiben, zum Ärger vieler Leute. Während seines Parisaufenthaltes schrieb er eine Lobesqasida auf den Bey von Tunesien – in metrischen Form und dem Endreim auf lam eine Nachahmung der bekannten altarabischen Qasida „Banat Su’ad…“ (die sogenannte lamiyya) von Kaab ibn Zuhair – welche auch in französischer Sprache in einer Tageszeitung erschien, worauf er promt nach Tunesien eingeladen wurde und dort Herausgeber der neugegründeten ar-Ra’id at-Tunisi wurde. Auch eine andere Qasida, die er 1853-4 (1270 d.H.) ebenfalls noch in Frankreich schrieb, sollte dem Lauf seiner Karriere in einer vöölig neuen Bahn bringen: eine Lobqasida zu Ehren des Sultans Abdul Magid. 1857 siedelte er nach Istanbul um und gründete im Juli 1860 die Wochenzeitschrift al-Gawa’ib, welche sehr erfolgreich war und eine große Verbreitung fand. 1850 verfaßte ash-Shidyaq ein weiteres Lobgedicht in Ehren der Königin von England. Aufgrund seiner Mißstimmung gegenüber den Engländern in as-Saq ala as-Saq argumentiert A.J. Arberry, daß er an einer Lehrstelle in Cambridge interessiert war, die er trotz Qasida nicht bekam. 

His other two essays in qasida, as we have noticed, did not prove fruitless, and for him no doubt a qasida was a qasida, in the full implication of that term, a poem written for a purpose. 

Ich würde gar nicht einmal sagen, daß ash-Shidyaq sich diese Vorliebe nur ums Brotverdienen und der hohen „connection“ wegen aneignete.ash-Shidyaq war ein Meister der Sprache und liebte sowohl die veraltete Sprache des goldenen Zeitalters, in dem es noch wahre Hofdichter gegeben hat, als auch neue Wortschöpfungen zu bilden. Hat er nicht zum Spaß eine Lob-qasida auf Paris geschrieben, und es gleich einer anderen qasida nebenanstellte, mit dem gleichen Versfuß und dem gleichen Reim, welches er zum Tadel und Mißbilligung der gleichen Stadt verfaßt hatte? Hat er nicht zwei Gedichte über die Frau verfaßt und gegenübergestellt, gleicher Reim, gleicher Versmaß, das eine trägt den Titel „Ach hätt‘ ich doch keine Frau“ und das andere „Ach hätt‘ ich doch eine Frau“? Und hat er seinen Ärger im Streit mit Kollegen (Butrus al-Bustani, ash-Shaikh Nasif al-Yazigi, Shaikh Ibrahim al-Yazigi, Shaikh Sa’id ash-Shartuni, Adib Ishaq und Rizqalla Hassun al-Halabi) nicht auch in Form von Spottgedichten ausgedrückt, mit denen er unverzeihlich ein Ende seiner Freundschaften machte? 

In einer Zeit, in der sich der Kontakt der arabischen Welt zu Europa intensivierte, war man genötigt, Fremdwörter zu übersetzen oder arabische Ausdrücke, die bereits in der Sprache vorhanden sind zu finden bzw. neu abzuleiten oder neu zu bilden. In der ebenfalls neugeborenen arabischen Presse erschien eine Vielzahl von fremden neuen Ausdrücken, die von arabischen Reisenden wie Tahtawi, al-Bustani, as-Sannusi, at-Tunisi geschaffen wurden. At-Tahtawi (1801-73) sagt man nach, er habe Ausdrücke erfunden, die später wieder aus dem Verkehr gezogen wurden, z.B. Wörter für Zeitungen und Zeitschriften wie al-waraqat al-yawmiyya, at-tadhakir al-yawmiyya, al-gurnal, al-kazita (Gazette) oder er übernahm das Plural der Fremdsprache wie gurnu (Pl. Journal). Für das Parlament hatte er den Ausdruck diwan rusul al-umalat und für das Museum den Begriff khaznat al-mustaghribat. Der Botschafter war bei Tahtawi ilgi oder rasul al-balad, beide Bezeichnungen sind dem frz. Wort Elire abgeleitet. 

Währenddessen schrieb man ash-Shidyaq den größeren Erfolg, es treffender ausgedrückt zu haben und daß sich seine Wortschöpfungen letztendlich durchgesetzt haben. Er neigte mehr dazu, Fremdwörter zu übernehmen und benutzte fikar (Vikar), balih ruyal (Ballet Royal), balfar (Boulevard), al-hutil (Hotel)… u.s.w. Außerdem neigte er zur direkten Übersetzung. „Honey moon“ übersetzte er mit qamar al-asal, welches heute als Shahr al-asal durchgesetzt hat. Ihm und nicht Shaikh Ibrahim al-Yazigi verdanken wir die Wortschöpfung garida für Tageszeitung. Als erster soll ash-Shidyaq das Wort ishtirakiyya (eine Bezeichnung, die er für „Sozialismus“, die er aber für alle linksorientierten Parteien angewandt haben soll) benutzt haben. Ihm sollen außerdem die Wörter at-tabi’ (Briefmarke), al-intikhab (Wahlen) und maglis an-nuwwab (für das Parlament), sowie al-madrasa al-gami’a (Universität), as-saidali (Apotheker), al-gawaz (Reisepaß), al-mulakama (Restling), mathaf (Museum oder Gallerie), i’lan (Werbung) und mustashfa (Krankenhaus, nachdem zu einer Zeit noch maristan gebräuchlich war) zugeschrieben sein. 

Andere Wortschöpfungen waren weniger treffend für die heutige Bezeichnung: al-musnit (für Drogen), safinat an-nar (für das Dampfschiff), durub al-hadid (für die Eisenbahnschienen), al-mayakha (für die Akademie, vermutlich ironisch gemeint), al-hafila für den Bus und al-ma’lak al-amm (für das Postamt). 

Ich finde es notwendig, auf diese Suche nach Wörtern hinzuweisen, um den großen Umbruch der Zeit, in der ash-Shidyaq lebte, bildhaft zu machen. 
 

6. as-Saq a la as-Saq

6.1. Frage der Gattung

Ash-Shidyaq wurde mit Größen wie Rabelais, Voltaire, Didero und Viktor Hugo verglichen. Wie Rabelais verteidigt ash-Shidyaq die geistige Freiheit und die Freude am Diesseits und verspottet die klöösterliche Erziehung in scharfen Satiren. Er wurde mit al-Gahiz und der durch al-Gahiz vertretenden Gattung der Adab-Literatur in Verbindung getetzt. Sein romantischer Geist bewegt andere, ihn mit dem nach Amerika emmigrierten Gubran Khalil Gubran zu vergleichen. Andere wiederum waren ausgesprochen dagegen, ash-Shidyaq als Romantiker zu sehen. 

Dieses breite Sprektrum an Vergleichsmöglichkeiten verdeutlicht ohne Zweifel, daß wir mit einer Vielfalt von stilistischen Merkmalen konfrontiert sind. Umso schwieriger läßt sich die Gattung dieses phänomenale Werks definieren. Der sofortigen Identifizierung der 4 Maqamenkapitel, das jeweilige 12. Kapitel eines jeden Teiles, liegen folgende Merkmale zugrunde:

1. Der Erzähler und Erzählstil gleichen dem der Maqamen des Hariri (st. 516 d.H./1122) und Badi’ az-Zaman al-Hamadhani (st. 398 d.H./1007/8). Wie bei den Maqamen gibt es hier einen Erzähler, al-Haris ibn Hitham, der im Wortlaut dem Erzähler von Hariri (Isa ibn Hisham) und Hamadhani (Harith ibn Hammam) ähnelt; Dieser erzählt eine Anekdote, in der er verwickelt ist und deren Verknotung durch das Auftauchen des Schurken/Helden bzw. Antihelden auflööst. Dieser Held ist bei ash-Shidyaq Abu Zullama al-Fariyaq. Dieser gleicht wieder im Wortlaut dem Helden bei Hamadhani (Abul Fath al-Iskandari) und dem Helden bei Hariri (Abu Zaid as-Surugi).

2. Stilistisch sind sie wie die Maqamen in Reimprosa, sag’, geschrieben. 

3. Vom Thema her sind sie der Anekdote der Maqama sehr ähnlich. Die 4. Maqama handelt z.B. von den Vor- und Nachteilen der Ehe und des Junggesellentums. Zwei Parteien streiten sich. Da kommt ein Bote (Haris) mit einem klärenden Gedicht von Faryaq, welches die Vorteile der Ehe preist. Die Geschicktheit und Klugheit des Schurken-Helden wendet den Verlauf der Handlung zum Guten hin. Auch die 2. Maqama handelt von der Ehe und der Scheidung; in der dritten streitet der Erzähler sich mit seiner Frau. Er begegnet 12 Frauen (u.a. Inderinnen), die ihm ihre Meinung über Ehe „dichten“. Er stößt auf eine Gruppe Dichter und führt mit ihnen ein Gespräch über die Ehefrauen – zuerst redet man über das Übel Frau, dann wird die Frau gelobt, besonders Schwangere. Haris erzählt, wie Frauen ihre Männer verwöhnen, bis es ihnen peinlich wird, ihm weiter zuzuhören. Auf dem Markt trifft er Fariyaq, der in einem Korb Beliebiges an Lebensmittel im Vorbeigehen einsteckt. Auf Haris’ Bitte zitiert er ein Gedicht über die Ehe, fasst sich darin aber kurz, da er hingrig ist und sich gierig auf das Essen hermacht. Sehnsüchtig kehrt Haris zu seiner Frau zurück.

4. Fariyaq wird wie Surugi oder Iskandari zufällig auf dem Markt oder anderswo getroffen. Er ist arbeitslos (wie in der 1. Maq ma, I,13), oder stielt (wie in der 3. Maq ma, III,13). So plöötzlich unerwartet wie Haris ihn antrifft, so plötzlich verschwindet er wieder. Seine Gedichte geben den immer suchenden Haris die überzeugende Antwort für seine Probleme, die kein anderer löösen kann.

Unabhängig von diesen formalen Charakteristika stelle ich fest, dass diese vier Maqamen nicht aus dem Rahmen des Gesamtwerkes herausspringen, sondern durchaus inden allgemeinen witzigen satirischen sag’-Stil passen. Man könnte gleichfalls argumentieren, daß as-Saq ala as-Saq eine große Maqame ist. Shawqi Daif, bekannt für sein Standardwerk über die Maqamenliteratur, sieht as-Saq a la as-saq als eine schlechte Nachahmung von Hariri und Hamadhani. Dabei hat er Nasif al-Yazigi – ein Zeitgenosse von ash-Shidyaq, den er für einen besseren Maqamen-Autor hielt – im Sinn; al-Yazigi hatte mit seinem Werk Magma’ al-bahrain tatsächlich die Absicht, Maqamen nachzuahmen, welches man in dem Falle ash-Shidyaq nicht behaupten kann.

Anstoß nahmen viele Kritiker an der obszönen Sprache. Sie zieme sich einem Manne seines Standes nicht. Nachdem Muhammad Abdul Ghani Hasan in seinem Buch über ash-Shidyaq (in der Alam al-arab-Reihe) die Kritiker auflistet, die sich an der Obszönität störten, kommentiert er selbst:

Nicht, dass wir von ash-Shidyaq erwarten würden, dass er sich zu einem geistlichen Prediger verwandeln soll, der Gedanke liegt ganz entfernt, aber wir haben gehofft, dass er in seinem Buch nicht in diese Schamlosigkeiten so erbarmungslos verfallen würde, welche sich ohnehin einem wie ihn nicht ziemt, auszusprechen. 

Sogar der Herausgeber der letzten Ausgabe von as-Saq a la as-saq, Nasib Wahiba al-Khazin, dem wir einen vollständigen Text des Romans verdanken, entschuldigt sich in seinem Vorwort, weil er es zuließ, dass besondere Teile wiedergedruckt wurden, was er nachher beim Lesen bereue. 

Entweder man hielt as-Saq a la as-saq für ein modernes Maqamenwerk, oder man sah es als Autobiographie. Das Problem ist, dass seine Aussagen als Dokument betrachtet werden und somit keine Doppeldeutung zugelassen ist. Dies ist ein Verlust, denn man streitet den aesthetischen Wert dieses kreativen Werkes ab. In seiner Ausgabe von as-Saq a la as-Saq setzt Imad as-Sulh in Fußnoten des öfteren Fariyaq mit ash-Shidyaq (die Figur im Roman=Erzähler=Autor), obgleich wir in dem Roman die Hauptperson alsFariyaq als 3. Person Singular kennenlernen und wir außerdem einen Erzähler waahrnehmen, der eine andere Person ist und mehr einem „omnicient narrator“ gleicht. Auch wenn der Autor seinen eigenen Vor- und Nachnamen zusammenschmelzt, um den Namen seines Helden zu bilden, ist der Name Fariyaq doch ausdrücklich eine Fiktion. Zwar hat das Buch das Leben des Autors zum Stoff, aber der Stoff allein bestimmt noch lange nicht die Gattung eines Werkes.

M. Peled ordnet as-Saq ala as-Saq der „menippean satire“ zu. Peled argumentiert, daß eine falsche Einordnung des Werkes (z.B. as-Saq ala as-Saq als Lebensgeschichte des Schriftstellers statt Fiktion zu sehen, wie es viele arabische Kritiker verstanden) ein Grund sei, weshalb ash-Shidyaq nicht den Ruhm erreicht hat, den er verdiente. Er zitiert Northrop Frye:

In every period of literature, he claims, there are many works „that are neglected only because the cathegories to which they belong are unrecognized.

Peled ist der einzige, der as-Saq ala as-Saq rein literarisch untersucht hat. Er macht dabei einen interessanten Vergleich mit Hazz al-quhuf fi sharh qasid Abi Shaduf von Yusuf Abdul Gawwad ash-Sharbini (1857). In Tarwih an-nufus wa mudhik al-abus habe Hasan al-Alati eine Reihe von Werken genannt, neben Hazz al-quhuf die Werke von Sidna Awqal ibn Ashrin, Shaikh ibn Sudun und habe sie unter fann al-mufaraqat zusammengefaßt. Eine Untersuchung dieser Werke, falls auffindbar, könnte meiner Meinung nach sehr aufschlußreich sein und für eine neue Bewertung des as-Saq ala as-Saq von großer Wichtigkeit sein. 
 

6.2. Das Buch as-Saq ala as-Saq

Das Besondere an dem Buch ist die Eigenartigkeit seiner Sprache. Der Leser wird den vielen Wortspielen und Rätseln und Anspielungen, Synonymen, den Reimen und Stabreimen, der Alliteration, Metonymie (taganus), Sprachfiguren und den rhetorischen Wendungen mit Staunen folgen. In seinem Vorwort der 1. Herausgabe sagt Rafa’il Kahla

Ich fand darin viele Vorteile enthalten, davon Anreihung vieler Synonyme und aneinander verwandten Wörtern in einem wunderbaren feinen Stil, eingeleitet durch Spannung und Witz, insbesondere Wörter, die man im Alltäglichen zu gebrauchen pflegt (…)

Was mir außerdem an diesem Buch vorteilhaft erscheint, ist, dass es aus einer Vielzahl stilistisch unterschiedlichen Teilen besteht; es umfasst Prosa und Poesie, rhetorische Reden und Maqamen, weise Beobachtungen und philosophische Kritiken, Debatten, kinayat, tawribat und tawriyat, Dialoge und witzige Formulierungen, so dass es den Leser auch beim x-maligen Lesen nie langweilt.

Die verscheidenen Stilebenen entstehen durch die heterogene Zielsetzung, die ash-Shidyaq in seinem Werk verwirklichen wollte. 

Mit dem ersten Satz führt uns ash-Shidyaq bereits in den witzigen Sprachcharakter des Romans ein: 12 aneinandergereihte Synonyme „mih, sih, uskut, usmut,….usw.“ fordern den Leser auf, zu schweigen, weil der Erzähler ihm etwas zu erzählen habe.

Äußerlich ist das Buch gut strukturiert. Es ist in vier Teile geteilt, die jeweils 20 Kapitel umfassen. Jedes 13. Kapitel ist von der äußerlichen Form eine Maqama. Zusammen ergibt sich eine Zahl von 40 Kapiteln, die traditionell Zahl der Maqamen in einem Maqamenwerk. Inhaltlich hat der Roman jedoch keine Struktur. Halt gibt die chronologische Aufzeichnung der Vita des Helden. Diese fängt mit einer unglücksbringenden Geburt an und verläuft nicht ohne Selbstverhöhnung. Al-Fariyaq gleicht einem Antihelden wie Tom Jones von Henry Fielding. Die ironische Darstellung seiner Vita bekommt durch das Hinzukommen der alFariyaqiyya, seiner Frau, eine weitere Dimension. In ihrer temperamentvollen, lebenslustigen, kecken, mutigen und neugierigen Art erscheint al-Fariyaqiyya als die Moralischere von den beiden.

Auf der Erzählebene wird uns außer der 3. Person Singular des Helden al-Fariyaq die Person des allwissensden Erzählers bewusst, der manchmal lange Ausschweifungen macht, um auf das eben erzählte Geschehen zu kommentieren, es zu dementieren. Oder er entschuldigt sich bei dem Leser, wie in I,4, weil er an unerwarteter Stele über ein so unwichtiges Thema wie seine Begeisterung für die Musik der Trommel erzählt, wo er doch gerade die schreckliche geschichte, wie er verwaist wird, schildert. Dabei stellt sich der Erzähler einen sehr teilnahmsvollen Leser vor, mit dem er sich streitet:

Du wirst sehen, dass dein Einspruch nicht an richtiger Stelle ist und dass die Erwähnung der Trommel einen Sinn hat. Wenn du aber immer noch trotzig protestieren willst und widerrechtlich mich mit oder ohne Grund eines Fehltritts beschuldigen willst und den Leuten deine Redekunst gegen mich beweisen willst, werde ich sofort mit dem Schreiben dieses Buches aufhören. Bei meinem Leben, wenn du nur den Grund meines Schreibens wüsstest, nämlich um deinen Kummer zu vertreiben und dich zu unterhalten, dann hättest du erst gar nicht deinen Mund aufgemacht, um mich zu tadeln. So erwidere die gute Tat mit einer guten Tat, möge Gott dich mit Gutem belohnen, und geduldige dich, bis ich mit dem Weben meiner Geschichte zu Ende bin. Danach kannst du, wenn es dir gefällt, mein Buch ins Feuer oder ins Wasser Schmeißen.

In II,2 unterhält sich der Erzähler mit seinen Protagonisten, und in I,10 erklärt er dem Leser naiv, dass er all diese intimen Rätsel der Liebesbeziheungen nicht etwa aus eigener Erfahrung kenne, wie der Leser vermuten mag, sondern es seien reine Phantasiebidler, die er sich ausdenkt, um sein kummervoles Herz zu entlasten. Oder der Erzähler fügt ein kurzes Kapitel ein mit der Überschrift la shay’ („Nichts“), und fügt hinzu, dass er, der Erzähler, sich jetzt ausruhen gehe und dass der Leser auch berechtigt sei, eine Pause einzulegen. Ähnlich ist es mit Kapitel II,15 welches aus drei Worten besteht, mit der Bedeutung „noch am selben Platz“.

Ash-Shidyaq neigt zum Spiel. Schon im Titel erkennen wir ein Spiel-im-Spiel. R. Wielandt übersetzt den seltsamen Titel folgendermaßen:

As-Saq ala as-Saq, d.h. „Schenkel über Schenkel“, bezieht sich auf die entspannte Sitzhaltung mit übereinandergeschlagenen Beinen, in der man sich beim Zusammensein im Bekanntenkreis Geschichten erzählt. Der Titel wäre somit in etwa zu übersetzen als „Plauderei über die Person von Faryaq“.

Es ist eine europäische Sitzhaltung. Ganz so wie man sich Europäer vorstellt, die über die Welt und den Orient überlegen philosophieren. Azma und Tarabulsi interpretieren „Bein über Bein“ außerdem als bildhafte Anspielung auf den sexuellen Verkehr, bei der die Beine in- und aufeinander verwickelt sind. Während der frz. Titel, mit dem die erste Herausgabe veröffentlicht war, strikt informativ neutral ist (La vie les aventures de Fariac. Relation de ses voyages avec ses observations critiques sur les Arabes et sur les autres peoples) fordert der arabische Titel den Leser heraus. Er geht mit einem Vers weiter:

         Ayya mun wa shuhurun wa a’wam fi agm al-arab wal-agam
        Tage, Monate und Jahre arabische und nichtarabische intelligente Menschen betreffend

Schon im Wort des 3-radikalen Stammes agm liegt die Interpretation des Verses. Heißt es agam statt wie übersetzt agm, ist es eine Anspielung auf die verdorbene korrupte arabische Sprache der Araber und Nicharaber und könnte als Metapher des fürchterlichen üblen Geruches sein, das al-Faryaq in as-Saq ala as-Saq immerzu riecht, sobald er gebrochene Sprache hört.

In seinem Vorwort sagt ash-Shidyaq, die Frauen und die Sprache seien die zwei Hauptthemen, die ihn bewegt hätten, das Buch zu schreiben. 

Dieses Buch ist auf zwei Dingen aufgebaut. Eines davon ist die Herausstreichung der besonderen Eigenschaften der Sprache und ihrer seltenen Ausdrücke (…). Und ein anderes ist das reizvolle Verhalten der Frauen und ihre verschiedenen Vorzüge (Schönheiten) – keine Eigenschaften, die man sich denken kann, habe ich hier dabei ungenannt gelassen. Ich habe außerdem ihre Gedanken und Vorstellungen erwähnt und alles, was mit ihnen zusammen hängt.

Folgende Themen werden in as-Saq a la as-saq angesprochen:

1. Kritik an der Religion z.B. die Faulheit und Dummheit der Drusen in I,4 un dI,6; die Heuchlerei der Priester und Mönche, ihren unberechtigten Machtanspruch und ihre hinterhältigen sexuellen Triebe, u.a. homosexuelle; hemmungslose Verhöhnung und Lächerlichmachung der Mönche I,12-I,20; er vergleicht die Katholiken und Protestanten, die saqiyyun (suq=Markt, gemeint sind die Katholiken, die aus der Religion ein Geschäft machen) und die khargiyyun (khargi=Ausgetretener, gemeint sind die Protestanten, die die Gebrauchsware auf dem Markt in neue Waren umtauschen) in I,18, I,20, II,8, II,12. Mit Shaikh al-fusuq (Häuptling der Heuchler) ist natürlich der Papst gemeint.

ash-Shidyaqs Kritik an der christlichen Religion schwankt von humoristischer Satire bis hin zur bitteren ernsten Wut auf den maronitischen Erzbischof, den er für die Ermordung seines Bruders As’ad verantwortlich macht (I,19 „Ard katib al-huruf“, ein Kapitel, das in der 5. Ausgabe und in der frz. Übersetzung 1991 stark gekürzt ist).

2. Frauen Postitution I,8 und IV,4; Ausbeutung der Dienerschaft IV,4; IV,17; die Bildung der Frau I,10; die guten Seiten der Frauen III,19, die Vor- und Nachteile der Ehe und des Junggesellentums IV,13; Rechte und Pflichten des Ehemannes II,18; eine Maqama über Ehe und Scheidung II,13 und II,14; Ehestreit III,13; Abschied, Eifersucht und gegenseitiges Versprechen, den anderen nicht zu betrügen IV,2; Küssen in der Öffentlichkeit II,6; Liebe und Ehe III,2; Erotik „Kurven, Spalten und Berge“ III,5; das Recht der Frau, fremdzugehen III,18; unverhüllte Kleidung und freies Benehmen der Ägypterinnen II,2 und II,4; Schmuck II,16; Mode und männliches Aussehen der Europäerinnen „Frauen mit Schnurrbart“ III,6; Engländerinnen halb nackt bei Tisch IV,5; Londoner Frauen IV,6; kein Unterschied bei Europäerinnen zwischen einer Jungfrau und einer verheirateten IV,17; ein Vergleich zwischen Französinnen und Engländerinnen IV,17.

Die reichen Vokabeln für dicke und schlanke, flinke und traurige, schlaffe und straffe, fettleibige und vielfleischige, sexuelle anregende, sindende oder tanzende Sklavinnen und Frauen sind bei Imad as-Sulh in der 5. Ausgabe von as-Saq a la as-saq zum größten Teil weggelassen (insbesondere Kapitel II,14; III,5; IV,16).

3. Freiheit und Freunde am Leben das Motiv der Trommel, auf der al-Fariyaq spielt und wie sie ihm immer von dem Priester verboten wird I,4 und II,4; in II,20 spielt er auf der Trommel und denkt ans Heiraten.

4. Sprache Stil und Rhetorik und Grammatik I,11; Spott auf die gebrochene arabische Sprache der malteser II,3; Fehlübersetzung der Bibel II,11, III,9 und III,18; das Metapher des üblen Geruchs, das Fariyaq immerzu riecht, sobald er einen sprachlich fehlerhaften Satz hört – al-Fariyaq übernimmt die missionsähnliche Aufgabe, den Geruch zu beseitigen (er nimmt also den Beruf eines Lehrers an) III,2 und II,11 und IV,8; Gedichte durchziehen das Werk III,17 und IV,2 und IV,4 und IV,5 und IV,14 und IV,20.

Araber-Europäer wie Araber die schlechten Sitten der Europäer nachahmen, z.B. mit den Schuhen auf Kissen trampeln, Melodien ungekonnt schief pfeifen, während sie die guten Sitten der Europäer nicht nachahmen, wie das ausgeliehene Buch wieder zurückzubringen, die Zeit des Gastgebers zu respektieren, nicht die Zeitung des anderen zu lesen III,3; andere gute Eigenschaften der Europäer: sie halten ihr versprechen, belohnen Arbeit gut, respektieren ihre Ehefrauen, reden wenig und tun viel und sind diplomatisch, Rang und Beruf sind wichtig, wie das Verhalten, sie fragen nicht nach dem Visa, sie lieben den Fremden und haben Mitleid mit den Armen IV,11; Tourismus IV,3; materielle vor geistlichen Interessen IV,3; soziale Themen, z.B. was der Staat für Witwen, Arbeitslose, Dichter und Wissenschaftler tut IV,3 und IV,13; Jagd auf Visas und das Untersuchtwerden an den Grenzen IV,3; Sitten, z.B. schwarze Trauerkleidung IV,15; Misstrauen gegen Ausländer bezüglich der Zahlung der Pensionsmiete IV,17; Künste der Erotik und die modische Frau in Paris, Straßenmädchen, Respekt der Männer beim Tanz, und wie Männern den Frauen ergeben sind IV,17; Vergleich zwischen Französischen und Engländerinnen IV,17; schlechte Wohnungssituation in Paris IV,18; Betrug der Kaufleute beim Preis IV,18; al-Fariyaq ärgert sich über die Orientalisten IV,19.

Diese linguistischen, literarischen, politischen und sozialen Themen werden von al-Fariyaq persönlich besprochen in seinen vielen Dialogen mit seiner Frau al-Fariyaqiyya, oder mit andere Personen (Orientalisten, Sprachlehrer, Dichter, Mönche oder Pensionsinhaber u.a.). Einige andere Kapitel haben einen surrealen märchenhaften Charakter, z.B. die vier Maqamen und vor allem die Traum-Kapitel (Träume des Sahib al-Mu’abbar III,8; III,9; III,10 und schließlich seine Irrsinnigkeit III,17; Fariyaqiyyas Traum IV,6) in denen al-Fariyaq die Funktion des Traumdeuters einnimmt.

Zuerst träumt Sahib al-Mu’abbar, dass, während er auf seinen Pferd reitet, sein Haupt sich im Äste verstrickt und er nicht wagt, sein Pferd anzuspornen. Indem er sich nachdenklich den Kopf kratzt, wachsen ihm 6 Hörner heraus. Er flüchtet mit seinem Pferd und rastet in verschiedenen Hotels oder Pensionen. Bei jeder Raststätte bemerkt er, dass ihm jedes Mal ein Stück Reitausstattung verloren geht. Zuerst der Sattel, dann die Zügel, dann die Beine des Pferdes und der Schwanz, bis vom Pferd nichts mehr übrig bleibt und es verschwindet. Vier Hörner brechen während dieser Reise ab. Es bleiben zwei, die sich zueinnander neigen und reiben und fürchterliche Geräusche erzeugen. Fariyaqs Deutung ist kurz: das Pferd ist die Ehefrau, der Mann ohne Pferd ist der Junggeselle, die Äste sind die störenden Gäste und die Hörner symbolisieren die ehelichen Umstände. Die Zügel sind die Ehre der Frau und der Sattel ihr gutes Benehmen.

Im Zweiten Traum versucht Sahib al-Mu’abbar eine Rede zu schreiben und wird immer von seiner frau unterbrochen, die sich schmückt und seine Hilfe bracuht. Sobald er sich wieder an dem Schreibtisch setzt, bemerkt er, dass sich der Text in wunderbarer Rhetorik von selbst geschrieben hat. Er hält eine prächtige rede und setzt alle Zuhörer in Staunen. Kaum wird er jedoch ins Ausland berufen, um auch dort eine Rede zu halten, verschwinden die magischen Reden und es bleiben nur seine eigenen Worte, die er selbst geschrieben hat, übrig. Imad as-Sulh versteht den Traum vor allem als Anspielung auf die St, die ash-Shidyaq mit den Presbyterianern (der S.P.C.K. Mission) bezüglich der Bibelübersetzung hatte.

Der dritte Traum ist nicht minder komisch. Sahib al-Mu’abbar breitet eine geistliche Predigt vor. Es sammeln sich schon viele Menschen um die Treppe. Mit übergrßer Vorfreude verabschiedet er sich feierlich von seiner Frau und schreitet mit großen Gesten zum Rednerpodest hoch auf die Leiter, als sei sie sein Thron. In überschwänglicher Phantasie bildet er sich ein, die großartigste Rede zu halten. Dem ist aber nicht so. Kaum spricht er die ersten einleitenden Worte, da erklingen schon die ersten Ausrufe. Mit jedem Schritt nach oben und jedem neuen Wort gehen einige Hörer weg, bis er sich, oben angelangt, vor einem leeren Platz befindet, noch bevor er die eigentliche rede begonnen hat. Aus Angst vor Schmach, zu seiner Frau zurückzukehren, ohne die Rede zu halten, begint er, laut in die Leere zu sprechen. Ein Passant, der ein Dichter war, wollte ihn herunterbringen; er zerschmettert die Studen, da bricht die Leiter zusammen und der Redner, samt Buch, fallen auf den Dichter. Dieser Traum, so deutet al-Fariyaq, hat folgende Aussage: Ein Redner darf nei ein Schwätzer sein.

Ebenso mysteriös ist die Geburt von al-Fariyaq geschildert. Die Sternkonstellation stand ungünstig und sagt dem Geborenen ein unglückliches Leben voraus (I,1). Das Horoskop bestärken die einleitenden Verse:

      allaftuhu wa-l-lailu aswadu halikun           fa-lidhalika ga’a musakhkkhaman magufa
      Ich schrieb es (das Buch) in einer              daher wurde es dunkel und düster
      pechschwarzen Nacht 

Diesen Aberglauben bringt ash-Shidyaq sicherlich nicht zuletzt hinein, um sich selbst von Anfang an als Legende darzustellen. Zur Unterstreichung seiner eigenen Größe zitiert ash-Shidyaq banale Stellen aus Werken berühmter Schriftsteller, wie Lamartine und Chateaubriand, um den Stellenwert seines eigenen Werkes hervorzuheben (I,5; IV,18).

Eine Stelle wird von westlichen Wissenschaftlern in as-Saq a la as-saq besonders untersucht: Kapitel IV,12, in dem al-Fariyaqiyya und al-Fariyaq über ihr Leben auf einem englischen Dorf nachsinnen und es mit dem Stadtleben vergleichen. Dieses Kapitel zeichnet sich insofern aus, da ash-Shidyaq die wichtige Erkenntnis macht,

dass es die Europäer (al-ifrang) als monolithischen kulturgeschichtlichen Block gar nicht gibt, weil die moderne westliche Zivilisation mit allen Segnungen, die man ihr nachsagt, wie etwa Wohlstand und hohem Bildungsniveau, nicht einmal in ihren Kernländern alle Menschen gleichermaßen umfasst.

So wurde dieses Kapitel von Wielandt, Gassik, Haywood und Schulze behandelt. Die europäische Gesellschaft mit ihren sozialen Schichten und Sitten und Gebräuchen wird jedoch an vielen anderen Stellen kritisiert, das ganze Buch durch, und nicht nur in den Kapiteln, in denen al-Fariyaq über seine reisen anch England und Frankreich berichtet, z.B. in Kapitel III,6, in dem al-Fariyaq und al-Fariyaqiyya in Malta bei einem Engländer eingeladen sind. Dieser Besuch ist Anlaß zu einer Diskussion über das freie Benehmen der Europäer (z.B. das Küssen von Liebespäarchen in der Öffentlichkeit, oder das Sitzenlassen der Gäste durch den Gastgeber). In III,3 macht sich ash-Shidyaq lustig über die Araber, die Europäern blind nachahmen und sich dabei lächerlich machen.
 

Nachwort

Ahmad Faris ash-Shidyaq wurde im selben Jahr geboren, in dem Schiller starb, 14 Jahre nach Lamartines Geburt, zwei Jahre nach Viktor Hugos Geburt. Er pflegte den Kontakt mit Chateaubriand. Er war ein Zeitgenosse von Goethe und Lord Byron. Er arbeitete mit Orientalisten wie Samuel Lee zusammen; Quatremère und Reineaud kannten ihn. Auf arabischer Seite kannte er Sultan Abdul Magid, Khair ad-Din at-Tunisi, Tahtawi und viele andere. Er lebte im selben Zeitalter von Gamal ad-Din al-Afghani, Muhammad Abduh und Hasan Attar.

Ob er ein Romantiker war oder ein Satiriker, ein Sozialist oder Linguist, ein Dichter, Journalist, Schriftsteller, Dialekt oder vieles andere mehr, so glaube ich, dass wir es hier haupptsächlich mit einem Genie zu tun haben, ein Mann, der von Kennern zwar anerkannt, aber im Bewusstsein des arabischen und westlichen Volkes noch immer ein Niemand ist. Diese Tatsache ist um so trauriger, wenn wir uns an die 35, teils mehrbändigen veröffentlichen und die 14 unveröffentlichten Werke aus seinem Nachlaß erinnern – außer den Übersetzungen – die von Jahr zu Jahr älter und vergilbter ihrem Tode zuschreiten. 

Diese Arbeit ist aus meinem Interesse an Ahmad Faris ash-Shidyaq entstanden. Die Begeisterung, die ich für ihn habe, hat mich dabei so weit von der engeren Textauswahl aus as-Saq a la as-saq weggerissen, dass ich mich auf einem Weg befinde, der von Umfang und Tiefe nicht im Rahmen einer Hauptseminararbeit abzuhandeln ist. Ich kann deshalb nur gezwungenermaßen einen Schluß setzen und hoffen, dass nachfolgende Wissenschaftler die unbedingt notwendige Arbeit auf sich nehmen, das Werk ash-Shidyaqs kritisch zu untersuchen und neu zu bewerten.
 

Abier Bushnaq, Jahrgang 1966, absolvierte ihr Studium in Bonn mit der Magisterarbeit „Shakespeare in Ägypten: Rezeptionsgeschichte von 1935 bis zur Gegenwart“ und promovierte anschließend in Bamberg über den „Historischen Roman Ägyptens“. Zur Zeit ist sie bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im textarchiv tätig.
 

BIBLIOGRAPHIE

PRIMÄRLITERATUR

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